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Abschied von Grillparzer

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Die Beamten und Angestellten merkten am 31. Juli, was den Arbeitern an den letzten Wochenenden davor schon aufgefallen war: aus ihren Lohnsäckchen waren beinahe alle Hundertschillingscheine verschwunden. Ihren Platz nahmen oft Fünfzigschillingnoten ein, die eben erst die Druckpresse verlassen hatten. Irgend etwas stimmte da nicht…

Vor einigen Tagen erfuhren wir des Rätsels Lösung. Die Nationalbank plant eine neue Serie kleinerer Schillingnoten auf den Markt zu bringen, did bestimmt ist, die jetzt im Umlauf befindlichen Scheine, angefangen von dem „blauen Bruckner“ bis zum „Auer von Welsbach“, abzulösen. „Grillparzer“ aber soll im Herbst den Anfang machen. Die grünen Hundertschillingbanknoten werden nicht mehr ausgegeben, sondern Zug um Zug eingezogen.

Was war geschehen? Eine größere Fälschung, die einem Umtausch einer bestimmten Banknote oder aller Werte rechtfertigt? Dies wird von der Österreichischen Nationalbank entschieden dementiert. Was aber kann es sonst für Gründe geben, die einen Umtausch unserer Banknoten mit allem Durcheinander, der sich aus dem gleichzeitigen Umlauf verschiedener Scheine desselben Wertes zwangsläufig ergibt, von den Mehrkosten, die die Neuausgabe einer Banknotenserie erfordert, ganz zu schweigen, rechtfertigen?

Keinen, aber auch wirklich keinen. Die ins Treffen geführten Vorteile „kleinerer Banknoten für kleinere Brieftaschen“ sind wohl nicht ernsthaft stich hältig. fm Gegenteil: Alles spwht gegen diese Maßnahme. Da ist, eijiitiąJ.rflį®.. Tatsache, daß wir in Österreich seit 1945 binnen einem und einem halben Jahrzehnt nun schon an die Ausgabe der vierten Serie von Schillingbanknoten herangehen. Dazu kommt, daß es nicht zu den angenehmsten Dingen gehört, über einen langen Zeitraum hinweg, den ein Banknotenumtausch nun einmal erfordert, verschiedene und verschieden große Banknoten desselben Wertes auszugeben und in Empfang zu nehmen. — Insbesondere ältere Leute und jene, mit deren Augen es nicht zum besten bestellt ist, von ausländischen Besuchern zu schweigen, wissen dies nicht zu schätzen. Irrtümern und kleineren Betrügereien wird auf diese Weise das Feld bereitet. Kaum haben wir nach dem Umtausch der alten Schilling münzen etwas Ordnung und Übersichtlichkeit in unser Portemonnait gebracht, beginnt die „Revolution“ ir der Brieftasche. Dabei ist es gar nichi so lange her, daß wir hier das „Donauweibchen“ neben dem „Grillparzer“ die alte und die neue Hundertschillingnote, mit uns herumtrugen. Unc nun sind die neuen auf dem bester Weg, schon wieder die alten zu wer den. Wie rasch das in unserer Zei geht…

Ein Wort auch zur Ästhetik. Dir gegenwärtig im Umlauf befindlich! Schillingserie entspricht — muß mar sagen: ausnahmsweise? — auch aller Anforderungen des guten Geschmak- kes. Sie gefällt im In- und Ausland Welche „Hausgreuel“ wird man uni in Zukunft bescheren? Soll der „Edelweißschilling“ nun ein Gegenstücl auf den Banknoten finden?

Aber selbst wenn die Ästheten unc jene, die keine Freunde des ständiger Wechsels an bunten Scheinen aus dei

Banknotenpresse sind, schweigen, so hätten doch die VolksWirtschaftler vor einem Umtausch der Banknoten, vor allen Dingen im gegenwärtigen Zeitpunkt, warnen müssen. Es ist eine auf Erfahrung begründete und nicht wegzudiskutierende Tatsache, daß jede Ausgabe neuer Banknoten eine gewisse Unruhe unter die kleinen Leute trägt. Unberechtigte Unruhe: zugegeben! Aber wie dies dem Kleinhäusler in X und dem Rentner in Y sagen? Er reagiert noch immer auf die Nachricht von Geldumtausch mit einer sofortigen Plünderung seines Sparschweines. Anschaffungen, die vielleicht für das nächste Jahr geplant waren, werden sofort getätigt. Der Geldumlauf nimmt zu, und gerade das ist das Gegenteil von dem, was wir gegenwärtig in Österreich brauchen können.

Niemand braucht es also zu wundern, daß der Grillparzer auf dem grünen Hundertschillingschein in den letzten Wochen noch griesgrämiger als bisher in die Welt blickt.

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