7123477-1996_46_17.jpg
Digital In Arbeit

„... alda guet bier gemacht wier”

19451960198020002020

Der Gegentrend zum Brauereisterben hat längst voll eingesetzt. In Oberösterreich - Bierland par excellence - läßt sich das gar trefflich studieren.

19451960198020002020

Der Gegentrend zum Brauereisterben hat längst voll eingesetzt. In Oberösterreich - Bierland par excellence - läßt sich das gar trefflich studieren.

Werbung
Werbung
Werbung

Alle Welt redet vom Brauerei-sterben. Oberösterreich nicht. Im Land ob der Enns hat es das zwar auch gegeben (in den ersten drei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts hat allein die Poschacher Brau AG über 50 Kleinbrauereien aufgekauft und stillgelegt). Aber die Zeiten haben sich gründlich geändert.

In den letzten Jahren sind Brauereien aller Größen und Typen neu eröffnet worden: Von der Ersten Oberösterreichischen Gasthausbrauerei im Maierhof des Schlosses Weinberg bis hin zu einer mittelständischen Brauerei in Neufelden. Und ständig kommen neue Betriebe dazu: So kann man seit einigen Wochen in der Bierschenke Bogner zu Braunau ein vom Wirt selber gebrautes Bier genießen: Der Hobbybrauer Helmut Bogner hat in seinem Privatkeller eine Hausbrauerei eingerichtet. Das gängigste seiner Biere ist die 12,3grä-dige „Bogner Weisse”, ein dunkles Hefeweizen aus der Flasche. Dieses mittelbraune Bier entwickelt einen kräftigen Schaum und verströmt einen heftigen Duft. Der Antrank ist leicht säuerlich, womit diese Weisse mehr an ein belgisches Witbier als an die bayerische Interpretation des Stils erinnert. Auch der fruchtige Ton vermittelt eher die Idee von Orange oder Grapefruit als von Banane, das Bier ist insgesamt wenig vollmundig und sehr erfrischend, auch weil die Bitterwerte sehr niedrig liegen dürften. Als Hobbybrauer experimentiert Bogner allerdings auch mit Dinkel und Roggen - sowie mit verschiedenen Rockbier-Rezepturen.

Bogner knüpft damit an eine bedeutende Tradition an: Die Bedeutung Braunaus für die Bierbrauerei im Innviertel läßt sich aus der Tatsache ablesen, daß hier eine der vier Innungsladen der Bierbrauer des Viertels stand - die anderen waren in Bied (ab 1569), Obernberg (1648) und Schärding. Die Zünfte und Bruderschaften hatten ihre eigenen Altäre, die gotische Stefanskirche in Braunau birgt noch heute verschiedene Zunftfahnen; Auch die Brauerzunft hatte hier ihre eigene Kapelle, es ist jene mit der Darstellung der heiligen Katharina, die eigentlich Schutzpatronin der Müller ist. Maischbottich und Gerstenähren, die das Gitter der Kapelle zieren, weisen aber auf die Brauerzunft hin.

Im Mittelalter war das Brauen in der Stadt wegen der Feuergefahr verboten, die Braustadel standen außerhalb auf den Feldern. Das Bier genoß nicht ganz soviel Ruhm wie das aus Schärding, doch beschreibt das Reisebuch des Ernstinger 1597 Rraunau als eine „feine, wolerbaute statt nahent beim In auf einem bühl gelegen, alda guet bier gemacht wier”.

Bei der Zählung 1795/97 gab es in Braunau 14 Brauer; 1856 wurden im Innviertel 71 Braustätten mit zusammen 221.528 Eimern (rund 124.000 Hektolitern) Ausstoß ermittelt, 1881/83 waren es 87 Braustätten mit 229.261 Hektolitern.

Die Bedeutung des Innviertels als Brauzentrum ist kaum zu überschätzen. Im Mittelalter gingen die wesentlichen Impulse für die bayrische

Brauwirtschaft von hier aus, nach dem Anschluß an Österreich war hier eine der größten Brauereidichten der Monarchie, und noch heute ist die größte Vielfalt an Braustätten im Innviertel.

Mag sein, daß das mit dazu beigetragen hat, die anderen Regionen des Bundeslandes zu besonders bierigen Anstrengungen anzuspornen. Mag auch sein, daß das für den Hopfen günstige Mühlviertier Klima den Wettbewerb stimuliert hat. Die Gegend zwischen Großer Mühl und Großer Gusen war ab 1100 von den Wilhering-Waxenbergern und sechs anderen Geschlechtern bis hinauf an die Moldau gerodet worden. Diese bayrischen Herrschaftsfamilien kannten den Hopfenanbau bereits aus ihrer Heimat, wo etwa der Bischof von Freising den Hopfenanbau pflegte. Schon 1523 soll es im heutigen

Hopfenbauzentrum Neufelden eine Braustätte, die dem Bistum Passau gehörte, gegeben haben - aus dieser Zeit stammen auch Teile des heutigen Brauereikellers, der im Mai 1995 wieder in Betrieb genommen wrurde.

Oberösterreich ist Bierland auf Schritt und Tritt: Alle historischen Wurzeln des Brauwesens lassen sich hier - auch zu Fuß - erkunden: noch heute bäuerlich organisiert ist die Hofstettner Brauerei, in Schlägl gibt es die einzige Klosterbrauerei Österreichs. Das bürgerliche Brauwesen ist im Mühlviertel durch die Braukommune von Freistadt (an der alle Grundbesitzer der Innenstadt beteiligt sind) vertreten, das herrschaftliche durch die Burgbrauerei Clam.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung