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„Verpuppt" von Ana Marwan: Eine komplexe Metamorphose

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Ana Marwan entwirft in ihrem Roman „Verpuppt" raffinierte Vexierbilder vom Erwachsenwerden eines Mädchens.

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Ana Marwan entwirft in ihrem Roman „Verpuppt" raffinierte Vexierbilder vom Erwachsenwerden eines Mädchens.

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Im Gegensatz zu ihrer Freundin Anja, die sich „ohne Stockungen oder grobe Unterbrechungen schrittweise vom Mädchen zur Frau entwickelte“, ist die Erzählerin Rita im Roman „Verpuppt“ „offenbar von jener Art Frau, deren Entwicklung wie bei einem Schmetterling oder einer Fliege eine vollständige Metamorphose darstellt. Jetzt war sie noch immer eine Puppe.“

Ana Marwan liebt beim Schreiben Vergleiche zwischen Menschen und Tieren – darauf verweisen schon die Titel ihres Debütromans „Der Kreis des Weberknechts“, ihrer Erzählung „Wechselkröte“, für die sie 2022 den Bachmann-Preis erhielt, und ihres Romans „Verpuppt“, der zuerst auf Slowenisch erschien. „Zabuljena“ wurde mit dem Kritiško sito 2022 als bestes Buch des Jahres 2021 in Slowenien ausgezeichnet, ins Deutsche übersetzt hat es Klaus Detlef Olof.

Aber Ana Marwan entscheidet sich nicht gerne. Sie schreibt auf Deutsch und Slowenisch, sie verwischt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen innen und außen. Sie ist eine unzuverlässige Erzählerin, die sich nicht auf festem Boden bewegt, sondern die es liebt, zu täuschen und zu spielen, mit Figuren, Raum und Zeit. Sie misstraut dem Faden einer Erzählung, dem Anfang und Ende einer Romanhandlung, der Chronologie. Die einzelnen Puzzleteile, durch Sternchen getrennt, manchmal nur wenige Zeilen, manchmal mehrere Seiten, fügen sich nicht zu einer Geschichte, und an einer Stelle verwirren sich die Buchstaben sogar zu einer zufälligen Tippanordnung, vieles bleibt offen.

Die Autorin enttäuscht gerne und trickreich die Erwartungen der Leserinnen und Leser und hinterfragt auf ironische Art und Weise philosophische und literarische Traditionen. Sie kennt sich aus, auch wenn die Erzählerin zugibt, dass sie nicht viele Menschen kennt: „Aber ich habe fünfhundert Bücher gelesen. Davon stammen drei aus der Feder von Frauen, vierhundertsiebenundneunzig aus der Hand von Männern.“ Marwan, die Vergleichende Literaturwissenschaft in Ljubljana und Romanistik in Wien studierte, hat sicher mehr Bücher gelesen und nicht nur drei Autorinnen – namentlich wird Ingeborg Bachmann im Buch erwähnt. Und es verwundert nicht, dass sie ihre Diplomarbeit über Kafka und Freud verfasst hat. Denn kafkaesk erscheint die Versuchsanordnung, in der sich die Protagonisten durch das Ministerium für Verkehr und Kommunikation, vorwiegend in der Abteilung für Raumfahrt, und/oder in einer psychiatrischen Anstalt bewegen, allemal.

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