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Der Held des Tages in Salzburg

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Der späten Entdeckung des Autors John M. Synge verdanken wir einen interessanten Abend im Salzburger Landestheaters. Daß einem bei der irischen Komödie, deren Held als Vatermörder Triumphe feiert, trotzdem warm ums Herz wird, daran ist das Wirtshaus schuld, in dem sie spielt. Drei Akte in einer irischen Dorfschenke. Wo vermöchte sich ein Vollblutdramatiker herzhafter auszuleben als eben im Wirtshaus, das von der menschlichen Torheit in ihren ursprünglichsten Gestalten belebt wird, weil es ihr einen Schimmer von Behagen verheißt? Und wo sollten sich Schauspieler und Zuschauer wohler fühlen und näherkommen? — Da stürzt an einem stürmischen Herbstabend ein vor Angst schlotterndes Bürschchen in die Stube und beichtet, daß es seinen tyrannischen Vater umgebracht habe. Das Gerücht verbreitet sich mit Windeseile, aber etwas Unerwartetes geschieht: Alle Herzen fliegen diesem Christopher zu. Er, der bisher von seinem Vater Unterdrückte, ein Nichts und Taugenichts, sieht sich nun als Held, als unbezwingbarer Ubermensch geliebt und bewundert. Doch auf der Höhe seines Glücks tritt zum zweitenmal ein Unerwartetes ein. Es ist der totgeglaubte Alte, ein Vagabund, verlottert und versoffen, den gespaltenen Schädel dick verbunden, doch noch stark genug, den hasenfüßigen Prahlhans von Sohn wieder zu unterwerfen. Und im Handumdrehen ist es aus mit Heldenruhm und Popularität. Auch als Christy in einem letzten Wutausbruch seinem Vater abermals den Schädel spaltet, gewinnt er die verlorene Volksgunst nicht mehr zurück. Die vorher in ihn vernarrt waren, Männer wie Weiber, wollen ihn nun als Mörder den Gerichten ausliefern. Doch der Alte ist nicht umzubringen. Wieder rappelt er sich auf, diesmal mit einem Anflug von Stolz auf das Söhnchen, und Vater und Sohn gehen wieder auf Wanderschaft, ziehen — einträchtig in Haß und Liebe — davon.

Die Komödie ist 60 Jahre alt, aber sie könnte geradesogut heute geschrieben worden sein. Ihre makabre Komik, die zu Lebzeiten des Dichters schockierte, wirkt in unserer Epoche des schwarzen Humors, in dem Friedhofskabarett, als das sich die Gegenwartskunst gerne gibt, ganz und gar zeitgemäß.

Die von Federik Mirdita geleitete Inszenierung ging auf drastische Effekte aus und bot den Akteuren die Chance, voll auszuspielen. Bert Oberdorfer überzeugte in der zwiespältigen Rolle des Christopher. Er war der liebenswürdigste Vatermörder, den man sich vorstellen kann. Großartig in seiner elementaren und wilden Verkommenheit Dirk Bautzenberg als Vater. Claudia Gerstäcker war ebenso reizend wie handfest. Trefflich gezeichnete Typen boten Kurt Weinzierl, Fritz Bischof, Gerda Sven-neby, Cornelia Froboess und Jovita Dar-mota. Das Bühnenbild von Erich Kon-drak begnügte sich mit naturalistischen Andeutungen, hatte Atmosphäre und war äußerst wirkungsvoll.

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