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G. W. Pabst f

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Der Tod des österreichischen Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst trifft uns in einem Augenblick, da unsere wenigen anderen Großen des Films heimgegangen sind oder grollend im Hintergrund stehen, der Nachwuchs sich aber vor leeren Wiener Hallen sieht, soweit diese noch nicht verramscht sind.

Pabst gehört mit Sternberg, Stro-heim und Lang zu den großen alten Vier des österreichischen Films von Weltrang — er hat in Wien, Deutschland, Frankreich und Italien gefilmt, in Amerika geschauspielert und Theaterregie gelerntaßibxii; tut

Geboren ist er als echter Wiener im alten Böhmen (27. August 1885 in Raudnitz), doch besucht der Sohn des Bahnlbeamten in Wien die Volksund Realschule, Dann packt ihn die Schauspielerleidenschaft; ihr schenkt er harte Wilhelm-Meister-Lehrjahre in der Schweiz, in Salzburg, Berlin und den USA.

Seine Bühnenwiege hat auch der große Filmmann, der Schöpfer eines scharf profilierten poetischen Realismus, nie ganz verleugnen können — und wollen: er entdeckt Schauspieltalente und läßt sie ungezügelt von der Kette.

Seine Filmschule der Geläufigkeit erwirbt er sich 1921 bis 1925. Es blitzt und donnert darin — aber einschlägt es erst im sechsten Film, „Die freudlose Gasse“, in dem Pabst einen Wiener Schundroman zur Nachkriegswalpurgisnacht erhöht. Übrigens spielen nicht nur Asta Nielsen und Werner Krauss darin, sondern auch eine gewisse Greta Garbo (den 3. ihrer 27 Filme). Und dann: der Film geht in Paris auf (wo ihn ein Kino zwei Jahre lang spielt). Die Freundnachbarschaft Deutschland—Frankreich drückt sich im folgenden — ein Vierteljahrhundert vor Konrad Adenauer — in mehreren Pariser Arbeiten Pabsts aus, darunter militärisch in „Westfront 1918“ und zivil in „Kameradschaft“. Obwohl er in Nazideutschland zwei (unpolitische) Filme “drehen muß, das Hohelied auf die Neuberin „Komödianten“ und einen „Paracel-sus“, bleibt er sich selber treu und „rächt sich“ nach 1945 durch den antirassistischen Film „Der Prozeß“, den Hitlerfllm „Der letzte Akt“ und den StaurTenbergfllm „Es geschah am 20. Juli“. Die Rache fällt nobel aus.

Drei Dutzend Filme macht das Werk Pabsts aus — ein goldenes Blatt Filmgesohichte.

Die letzten Jahre — zwischen Wien und Steiermark — waren von Krankheit beschattet. Ich sah und hörte ihn zuletzt auf einer Tagung der Filmwissenschaftlichen Gesellschaft, wo er in improvisierter, freier Rede den faszinierten Zuhörern Anekdoten von seiner Arbeit an „Kameradschaft“ erzählte und uns alle ganz neue Seiten seines Wesens enthüllte: Geist, Esprit, Charme — Wien und Paris wetterteuchteten darin.

Wir aber, Blinde, Taube, sahen nicht, wie schon die Nacht einfiel, und wußten nicht, daß es ein Abschied war: Er starb am 29. Mai 1967 in Wien.

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