Geld + Medien + Politik = Berlusconi

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Alexander Stilles "Citizen Berlusconi" erzählt den Aufstieg des mächtigen Italieners und prognostiziert Italien Mittelmäßigkeit und Provinzialität.

Man stelle sich vor, Microsoft-Eigner Bill Gates sei auch der Besitzer der drei größten amerikanischen Fernsehanstalten, würde dann zum Präsidenten gewählt und übernähme auch noch das Kommando über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk." Mit diesem für Amerikaner und auch viele Europäer unvorstellbaren Beispiel versucht der italo-amerikanische Journalist Alexander Stille in seinem Buch "Citizen Berlusconi" den Interessenkonflikt und die Machtfülle des 1.68 Meter kleinen, demnächst 70 Jahre alten Mailänders Silvio Berlusconi erlebbar zu machen. Der Titel spielt auf Orson Welles' genialen Film "Citizen Kane" an, in dem er den Aufstieg von William Randolph Hearst zum größten amerikanischen Zeitungsmagnaten darstellte.

Stille besitzt trotz großen Insider-Wissens und italienischen Wurzeln den ungetrübten Blick des von außen Betrachtenden. Er versucht kein Psychogramm Berlusconis. Ihn interessiert, wie es der junge Mann, der sich sein Studium als Nachtclubsänger auf Mittelmeer-Kreuzfahrtschiffen verdiente, geschafft hat, zum reichsten Mann Italiens, ja zu einem der 40 reichsten Männer der Welt aufzusteigen und in Italien eine Kulturrevolution zu bewirken.

Der Spekulant

Sein erstes großes Geld verdiente Berlusconi als Grundstücks-und Bauspekulant. Gesegnet mit unerschöpflicher Energie und fast grenzenlosem Selbstvertrauen, spreche er die Sprache des kleinen Mannes, sei ein Macho mit Hang zur öffentlichen Prahlerei über seine Frauenabenteuer und habe auf fragwürdige Weise die 145-Zimmer-Villa einer alten Adelsfamilie erworben. Landesweit bekannt wurde er durch den Kauf des erfolgreichsten italienischen Fußballclubs, AC Milan. Und zur italienischen Allgegenwart gelangte er durch seine drei landesweit ausstrahlenden Privatsender sowie seine Kontrolle über 40 % der italienischen Presse. Die Kulturrevolution bestehe darin, dass aus einem Volk leidenschaftlich diskutierender Menschen durch Berlusconi eine Nation von tv-Konsumenten geworden sei. 1994 gründete er eine neue Partei, "Forza Italia! ("Vorwärts, Italien!") und verkündete in seinen tv-Sendern, er wolle italienischer Ministerpräsident werden. Er wurde es. Nicht nur Geschmack an der Macht dürfte ihn getrieben haben, sondern auch die Notwendigkeit, sich dem Zugriff der Justiz zu entziehen und die Zerschlagung seines Fernsehmonopols zu verhindern. Aus seinem nächsten Umfeld wurden Leute enger Mafia-Verbindungen überführt. Berlusconi versuchte, den hoch geachteten Mailänder Staatsanwalt Antonio di Pietro, die Galionsfigur der Bewegung "Mani pulite" ("Saubere Hände") zu demontieren.

Schlechte Prognosen

Als Premier konnte er Gesetze durchbringen, die ihn vor Strafverfolgung schützten. 1996 kamen die Linken an die Macht, doch statt Berlusconis Machtfilz zu entflechten, stritten sie untereinander und verloren 2001 die Wahlen. Mit seinen griffigen Anti-Staat-Parolen fand Berlusconi erneut eine Mehrheit. Er hatte erkannt, dass trockene Wahlprogramme die Italiener wenig interessierten; er machte abenteuerliche Wahlversprechungen und verkündete sie mit der ihm eigenen Mixtur aus Überzeugungskraft, Charme und Herrenabend-Humor. Stilles Prognosen für Italien nach 10 Jahren Videokratie sind denkbar schlecht: Die Forschung werde vernachlässigt, die Zahl der Universitätsabsolventen sei erschreckend niedrig, "Italien ist auf dem Weg, ein mittelmäßiges, provinzielles Land zu werden".

Einer der Ihren

Aber Berlusconi vermittelt vielen Italienern das Gefühl, er sei einer der Ihren. In ihrem Misstrauen gegen den Staat schlagen viele kleine Geschäftsleute diesem auf kreative Art ein Schnippchen, und in ihren Augen tut der Premier dasselbe, nur eben in großem Stil. Den "amoralischen Familismus" nehmen sie nicht tragisch. Daher stieß Berlusconi auch auf Verständnis mit seiner Weigerung, als Politiker sein Medienimperium abzugeben: "Ich kann es nicht, ich habe fünf Kinder!" Am 9. April sind Wahlen. Ob Italien danach noch immer aus einem Vorstandsvorsitzenden und 58 Millionen Angestellten bestehen wird?

Citizen Berlusconi

Von Alexander Stille

C. H. Beck, München 2006

382 Seiten, geb., e 24,90

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