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Hammarskjöld

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Der umstrittenste Mann ist tot. Dag Hammarskjöld ist in Afrika gefallen. Auf den Tag genau vor dreizehn Jahren wurde sein Landsmann Graf Ber- nadotte in Palästina erschossen, wo er als UNO-Bevollmächtigter zwischen Israel und den Arabern vermitteln wollte. Hammarskjöld gehört mit einer Handvoll tapferer Frauen und Männer seiner skandinavischen Heimat, mit Elsa Brandström und Fritjof Nansen, zu den Wikingern einer neuen Art: einsame Kämpen, in einem neuen Kampf — für den Frieden der Welt. Ganz ohne Sentimentalität und ohne Romantik ist dieser Vergleich, dieser Hinweis zu verstehen. Der alte Wiking, Frondeur gegen seinen König, kämpft allein am grauen Sund am Meer gegen seinen Feind, bis er fällt. Einsam, zutiefst allein, umtost vom Geschrei seiner offenen Feinde und befehdet von Freunden und Partnern, stand Dag Hammarskjöld an Bord des großen, schweren Schiffes, UNO genannt. Ein Schiff, befrachtet mit den Lasten der Menschheit, mit den Leiden und Leidenschaften der erwachenden Völker, mit den Waffen und Drohungen von Großmächten. Es konnte gar nicht anders sein in diesen letzten acht Jahren, in denen Dag Hammarskjöld die UNO präsidierte — gegen Männer und Mächte, die in ihrer Mitte aufstanden, um die Charta der Vereinten Nationen wie einen Fetzen Papier wegzufegen und die Menschenrechte in Blut zu ersticken.

Da saß er oben, über den Lügen und Drohungen, über dem Geschrei: der

Mann, dö’r es „niemandem“ recht machte, der treue Diener eines einzigen Herrn, der Idee der Vereinten Nationen. Wie haben sie ihn angegriffen, in West und Ost, von links und rechts und aus der Mitte heraus! Die Franzosen waren wütend auf diesen „Mann mit dem unaussprechlichen Namen“, wie sie ihn malitiös nannten, weil er ihre Afrika- und Algerienpolitik nicht billigte. Die Engländer waren ihm mehr als einmal gram, nicht nur ob seines raschen und energischen Eingreifens in der Suezaffäre; dennoch haben sie ihn vielleicht am besten verstanden. Mitteleuropäer spotteten über ihn, da er 1956 in der ungarischen Erhebung „versagt“ hatte. Kurz: alle Mächte, die noch Kolonien und Kolonialbesitz und strukturell verwandte Besitztümer in Afrika verteidigen zu müssen meinten, waren diesem Mann übel genug gesinnt, der es für seine heilige Pflicht hielt, den jungen afrikanischen Staaten und auch den Asiaten die Tore der Vereinten Nationen zu öffnen.

Tragische Schatten legten sich gerade hier über die letzten Bemühungen Dag Hammarskjölds: Er hatte den Angriff der UNO-Truppen gegen die Katangaregierung befohlen und kommandiert, gegen eine afrikanische Volksbewegung, die mit dem Mut der Verzweiflung zusammen mit Weißen gegen amoklaufende Inder, nervöse Iren und eben auch Hammarskjölds engste Landsleute, ein schwedisches Kontingent, kämpfte und kämpft. Im Bewußtsein seiner Verantwortung wagte Hammarskjöld den Flug zu dem Mann, den er absetzen wollte, zu Tschombe. Flug in den Tod.

Die UNO-Charta hat die Nachfolge des Generalsekretärs nicht geregelt. Dieser soll von der Vollversammlung auf Vorschlag des Sicherheitsrates gewählt werden. Nun wollten die Sowjets seit langem Hammarskjöld zu Fall bringen, den sie pausenlos, zumal in diesem Jahr, angegriffen hatten. Die UNO tritt in ihre schwerste Existenzkrise ein, in eben dem Moment, in dem die Berlin-Krise und die Wahlen in der Bundesrepublik anzeigen, daß in Europa ein Zeitabschnitt zu Ende ist. Wer wagt es da heute, der UNO den morgigen Tag zu prophezeien?

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