Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
RALPH J. BUNCHE / WACHABLÖSE IN NAHOST
Schon seit geraumer Zeit pfeifen es nicht allein die Spatzen vom Dach des UN-Gebäudes am East River, daß Dag Hammar-skjöld im Nahen Osten keine besonders glückliche Beobachtergabe gehabt hat. Es gab Stimmen, die mit rustikalem Freimut dem Generalsekretär vorwarfen, er sei, einem blinden Simson gleich, durchs Zwischenstromland gestolpert, dabei nicht einmal den Brandgeruch bemerkend. Gerüchte gingen seit einiger Zeit um, daß ein anderer dort vermitteln würde. Sie wurden Wahrheit: Dr. Ralph Johnson Bunche wurde jetzt zum UN-Sonderbeauftragten, für den Nahen Osten ernannt; er ist am 9. September aus Genf, wo er tätig war, nach Beirut abgereist.
Der 54jährige Diplomat ist in Nahost kein Fremder. Als Vermittler und Nachfolger des in Jerusalem von Terroristen ermordeten Grafen Folke Bernadotte, dessen Schicksal er dank einem Zufall, einer Verspätung, entging, erreichte er durch große Zähigkeit 1949 den Abschluß eines Waffenstillstandes zwischen Israel und den arabischen Staaten. Ein Jahr darauf erhielt er den Friedensnobelpreis. Anfang 1957 gelang es ihm sogar in langen Konferenzen mit dem Staatspräsidenten Nasser, die Frage des heißumstrittenen Gazastreifens zu regeln.
Bei der Ernennung Bunches dürfte noch ein anderes, jenseits von Verdienst und Erfolg liegendes psychologisches Moment mitspielen. Als Neger mag er leichter Verständnis bei den von panarabischer Integration beseelten Machthabern am Nil und Jordan finden als Hammarskjöld, der auf der letzten Etappe seiner Nahostmission eine ausgesprochen schlechte Presse hatte. Bunche ist einer der seltenen amerikanischen Neger, dessen weltweiter Ruhm weder durch den Boxring noch durch die Jazztrompete begründet wurde. Er hat bei den UN die höchste Position, die ein Amerikaner dort jemals einnahm, und ist der erste Farbige, der eine wirklich bedeutende Rolle in der internationalen Politik spielt.
Das Leben seines Großvaters war noch das trostlose eines Negersklaven auf den Baumwollplantagen des tiefen amerikanischen Südens. Der Vater ging nach der
Sklavenbefreiung als Friseur in das Awfo mobilzentrum Detroit und heiratete eine Negermusikerin. Der 1904 geborene Ralph verlor die Eltern früh, konnte sich aber doch den Zugang zur Universität Kalifornien erkämpfen, an der der Hochbegabte 1928 die staatswissenschaftlichen Studien „summa cum laude“ abschloß. Er ist auch später auf fast jedem Gebiet der Erste gewesen. Nach ausgedehnten Studienreisen durch Afrika und Asien, erhielt er eine Dozentur an der führenden Negerhochschule, der Howard-Universität in Washington. Heute führt er Ehrentitel von mehr als 35 amerikanischen Colleges und Universitäten. Der Kriegseintritt Amerikas brachte ihn ins Außenministerium, wo er als Spezialist für Kolonialprobleme arbeitete. 1946 nahm er an der Gründungsversammlung der Vereinten Nationen teil. Dieser Tätigkeit hat er nicht nur eine Professur an der Harvard-Universität und höchste Staatsämter geopfert, sondern auch seine Laufbahn als Wissenschaftler und seine sportlichen Neigungen. Er war ein hervorragender Basketballspieler. Im Jahre 1955 war Bunche maßgeblich an der Organisierung ' der“ Internationalen Konferenz über die friedliche Verwendung der Atomenergie in Genf beteiligt, er vertrat Dag Hammarskjöld bei der Generalkonferenz der Atomenergiebehörde in Wien.
Sein schlichter Geheimwunsch ist, nach der Sicherung des Weltfriedens zur wissenschaftlichen Arbeit zurückzukehren. Als alter UN-Vermittler dagegen weiß er, daß der Draht nach Nahost nie abbrechen darf und ein dünnflüssiges Gespräch besser ist als keines.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!