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Tahiti: Silbermond und Kupfermünze

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Als Film heißt die Geschichte natürlich nicht „Silbermond und Kupfermünze“, sondern „Der B e-sessene von Tahiti“. Wenn nicht die Ex-hibition irgendeines (oder irgendeiner) Besessenen erfolgt, erwarten sich die Verleiher keinen Publikumszustrom. Es ist die Geschichte des Londoner Malers Charles Strickland, die William Somerset Maugham in seinem psychologisch geschickten Roman „The Moon and Sixpence“ erzählt hat. Strickland, ein 40jähriger Bankbeamter, verläßt seine Familie, um nach Paris zu gehen und Malerei zu studieren. Die Malerei hat ihn gepackt und läßt ihn nicht mehr los. Er geht weiter nach Tahiti, heiratet hier eine Eingeborene und stirbt, nicht ohne bedeutende Kunstwerke zu schaffen, an der Lepra. Dem liegt offenbar die Lebensgeschichte Paul Gauguins zugrunde. Gauguin, in Paris geboren, war ebenfalls in einem Bankhaus tätig, bis er sich im Alter von 38 Jahren in der Bretagne niederließ, um zu malen. Fünf Jahre später siedelte er (nach einem Besuch Martiniques) nach Tahiti über, kehrte einmal kurz nach Paris zurück, hatte keinen Erfolg mit einer Ausstellung und ging, in seinen Verhältnissen zerrüttet, neuerlich nach Tahiti. Später siedelte er sich in Dominica (Marquesasinseln) an, wo er, dem Trunk ergeben, in großer Not starb. Das Wesentliche dieses Lebens, die Flucht aus einem bürgerlichen Leben in die exotische Welt der Kunst, hat Maugham in das Buch übernommen; freilich wurden, teilweise erst durch den Film, einige kitschige Elemente hinzugefügt, die zur ' typischen Malerstory zu passen scheinen: Lepra läßt Künstler erblinden;- blinder Künstler malt trotzdem unbeschreiblich schöne Gemälde (im Film von einem Kulissenmaler bereitgestellt); Leid durch Lepra läutert und ist zugleich Strafe für das Verlassen der Familie; die Häßlichkeit der Krankheit erscheint als nötiger Ausgleich für die Schönheit der Kunst; besessener Künstler duldet keine Frauen und verlangt nur Liebessurrogate; schönste Bilder (die der Künstler nie gesehen hat) werden nach dem Tod verbrannt usw.

Natürlich wird die ganze Geschichte nicht der wirklichen Bedeutung Gauguins (die sich ja nicht in seinem Leben erschöpft, sondern in dem liegt, was er der Malerei durch seine Bilder gegeben hat) gerecht. Aber sie wird, auch noch im Film (Regie: Albert Lewin) gut erzählt. Freilich scheint uns die Person des Erzählers, eines jungen Bestseller-Romanciers (in dem wir Maugham selbst erkennen wollen), nicht unbedingt erforderlich; sie zerreißt die Handlung in einige Episoden, gibt dem Film aber das Authentische eines Berichtes; statt der Spannung also (die er verdiente) erhält er dadurch eine Authentizität (die er nicht verdient). George Sanders macht aus dem Maler Strickland einen undurchsichtigzynischen Künstler, der nirgends faßbar wird; Herbert Marshalls Schriftsteller bleibt stets ein Lauscher in kühler Reserve.

Wenn dieser Film, der ein paar schöne Aufnahmen aus Tahiti bringt, überhaupt einige Bedeutung hat, so ist sie diese: daß er das Verhältnis der Frau zum Künstler (nicht aber umgekehrt das des Helden zur Frau) und das des Künstlers zur Kunst an einigen Episoden drastisch herausarbeitet. Die 'erste Frau Stricklands versteht ihn nicht; hätte er sie mit einer anderen betrogen, hätte sie ihm verziehen, da er sie mit einer Idee „betrügt“, läßt sie sich scheiden; ein etwas exaltiertes Geschöpf in Paris wirft sich ihm an den Hals, weil er sie nicht beachtet, und tötet sich, als er sie verläßt: und Ata, das Südseemädchen, liebt ihn unkompliziert als Mann (und nur ihre Liebe erwidert er). Die Beziehung des Künstlers zur Kunst aber ist ebenfalls sinnlich (und in ihrem logisch nicht begründeten Ursprung der Liebe der Frau zum Manne vergleichbar) Die vielfältigen exotischen Reize der Südsee machen die Art dieses Verhältnisses zur Kunst sichtbar. Die Faszination der Kunst, der der Künstler nicht entrinnen kann, läßt sich dadurch erklären. Aber indem er die Kunst liebt und ihr verfällt, lobt und preist er die Schöpfung, wie jeder Liebende.

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