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Tanz ums goldene Kalb

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In Mailand fand vor mehr als hundert Jahren von Sparkassenleuten entriert, der erste Weltspartag statt. Was die Sparkassen aber vorerst als ureigenste Domäne gefeiert und propagiert haben, ist 1969 ein jährlich stärker werdender Reklamerummel aller Kreditinstitute geworden. Verbieten interne unter den Kreditinstitutsgruppen abgeschlossene Wettbewerbsbedingungen nicht nur graue Zinsen, sondern auch Geschenke für Spareinlagen, so hat man in der letzten Oktoberwoche seit Jahren hier Narrenfreiheit gegeben.

Auch 1969 ließen sich findige P.-R.- Manager der einzelnen Geldinstitute wieder einiges einfallen, um in der Weltsparwoche den „Tanz um das goldene Kalb“ der Person Sparer zu entfesseln.

• Die BAWAG präsentierte sich dabei mit einer Münzausstellung noch recht branchenüblich;

• die Creditanstalt dagegen zeigte sich noch wirtschaftsintensiv, indem sie das Textilland Vorarlberg in ihren Wiener Filialen mit alten Webstühlen und in Bregenzerwaldtracht verkleideten Angestellten aus dem Ländle feierte.

• Neue Wege dagegen mit künstlerischem Hintergrund ging man bei der Zentralsparkasse und bei den österreichischen Volksbanken: während die „Z“ mit ihren modernen Drucken österreichischer junger Künstler beim breiten Publikum wenig Echo, dafür aber viel Mäze- natenruhm im ORF (mit fünf Minuten Bericht) einheimsen konnte, huldigten ihrem Namen getreu die

Volksbanken mehr der leichten

Muse, indem sie zu Operetten und Jazzrhythmen auf der Wiener

Mariahilferstraße Marika Rökk und das Ballett des Theaters an der Wien tanzen und singen ließen.

Die Weltspartagsergebnisse zeigten jedenfalls, daß fast wie hei den letzten Landtagswahlen „alle gewonnen haben“.

• Die Sparkassen steigerten gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent,

® die Raiffeisenkassen meldeten am Weltspartag eine Steigerung um 30 Prozent

• und von den Volksbanken, wo man nach einer anfänglichen Hochrechnung nur um 10 Prozent gesteigert zu haben glaubte, konnte man dann ein Endergebnis, das um 26 Prozent über dem Vorjahr lag, melden.

Auch der Bankensektor war zufrieden, verwies er doch auf eine mehr als 30prozentige Erhöhung innerhalb der Weltsparwoche.

Daß allerdings auch die Geldinstitute Scheu vor ihrer bisher freigibigen, aber auch kostspieligen Geschenkelizitation haben, zeigte die Tatsache, daß man eine Umfrage mehrerer Massenmedien eine Woche vor dem Weltspartag, was man im heurigen Jahr denn dem Kunden schenken werde, einheitlich auf der Sekretärekonferenz ablehnte. So erfuhren die Kunden erst am Weltspartag, als sie die Kassenschalter betraten, was ihnen im heurigen Jahr für ihren Sparschilling zugedacht wurde.

Daß diese freizügige Geschenkverteilung allerdings auch ihre Nachteile hat, konnte man aus dem Munde zahlreicher Bankfachleute erfahren: „Viele kommen sicher nur, um wegen des Geschenkes 50 Schilling einzuzahlen und holen ihr Geld spätestens am Montag darauf wieder ab.“

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