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Stimmen von damals

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Endlich begegnet man Namen aus der deutschen „Vorkriegsliteratur“, nachdem lange — als ob Literatur etwas mit Politik zu tun hätte — ein Zwangsschweigen herrschen mußte. Agnes Mie-gel, bis in die dreißiger Jahre — neben Börris von Münchhausen und Gertrud v. d. Brincken — als hervorragende Balladendichterin hervorgetreten, versucht mit den Erzählungen „Heimkehr“ einige traurig-rührselige Geschichten aus der Flüchtlingszeit festzuhalten. Es sind alte Leute, die da heimkehren. Aber wohin eigentlich? Was ist für diejenigen Heimat, die aus dem Osten vertrieben wurden? Es sind bescheidene, aber für ihre Verhältnisse tapfere greise Omas und Opas, die versuchen, sich auch in der neuen Umgebung durchzuschlagen und zu behaupten, wenigstens die wenigen Jahre, die ihnen noch im Leben bleiben. Die Erzählungen richten sich vor allem an die ältesten Generationen von Lesern.

Wolf v. Niebelschütz war stets bemüht, in seinen Romanen und Essays seine dichterische Aussage in ein historisches Gewand zu kleiden. Die Sammlung seiner Gedichte und einiger Dramen zeigt auch in diesen Aussageformen die nämlichen Tendenzen. Als besonders interessant ragen einige Gedichtexperimente mit gereimten und an musikalischer Tonrhythmik orientierten Versuchen aus den Jahren 1944 — die ganz im Gegensatz zu den späteren Inhaltsexperimenten der Nachkriegszeit stehen — und die oft auch in der Stilgebung in die Grazie des Rokokos zurückstrebenden Sonette aus der Fülle des Gebotenen hervor. Während die Dramen „Eulenspiegel in Mölln“ und „Auswärtige Angelegenheiten“ reine historische Dramen sind, bemüht sich Niebelschütz in „Requiem zum Volkstrauertag“ und „Das Nichts“ — beide in den fünfziger Jahren entstanden —, das Geschehen in einen unwirklichen Raum, aber in eine allgemeingültige Zeit zu rücken. Seine Regieanweisungen zu letzteren kennzeichnen dies wohl am besten: „Das .Ministerium' dachte der Autor sich nicht als reine Karikatur, sondern als zierliche Tragödie des Spezialistentums. Diese Gestalten sollten weniger gespenstisch als phantastisch wirken, eher wie von Goya erfunden als wie von Hieronymus Bosch. Immerhin stecken Menschen unter den Masken.“ Dieses Maskendrama ist wohl das, auch für uns heute, am stärksten aufrüttelnde Stück. Hier wurde der Anschluß an die in ihrer Thematik und Stilistik sonst völlig andere Nachkriegsliteratur geleistet und bewältigt.

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