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Zweimal Lorca

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Federico Carcia Lorca. Die dramatischen Dichtungen. Insel-Verlag, Wiesbaden. 441 Seiten. Preis 27 DM.

Uebersetzt von Enrique Beck sind nun endlich ■Lorcas auch auf deutschen Bühnen vielgespielte Dramen in Buchausgabe erschienen — ein willkommenes Geschenk für die vielen Freunde von Lorcas Schaffen und ein wichtiger, weiterer Schritt zur Popularisierung dieses größten spanischen Dichters unseres Jahrhunderts. Beck erspart uns diesmal eine Einleitung — er hat deren genug geschrieben in zahlreichen Programmheften, Einzelausgaben, Essays —, er reiht aber, trefflich übersetzt wie immer, vornean eine auch vielzitierte „Plauderei über Theater“ und bringt sodann in chronologischer Reihenfolge die großen, bekannten Dramen — also zunächst „Mariana Pineda“ (1927), die Geschichte aus der spanischen Revolte unter Ferdinand I. und der Revolutionärin Pineda, die am Schafott starb —, auch hier schon: eine starke, starre, unbeugsame Frauengestalt, sparisch in allem, hineingemengt Folklore und bodenständige, volkliedhafte Lyrik, sodann das Dramolett „In seinem Garten liebt Don Perlimplin Beiisa“ (in Wien einmal durch eine italienische Studentengruppe gezeigt), dann „Die wundersame Schustersfrau“, wiederum echt und voll mit den Farben und Tönen spanischen Lebens, dann der surrealistische Versuch „Sobald fünf Jahre vergehen“ (auf deutschen Bühnen noch nie gespielt), ein interessantes Studiostück von Menschensehnsucht, ewig und unerfüllbar, stark an die amerikanische

Gegenseite, etwa an Tennessee Williams erinnernd; mit der „Bluthochzeit“ (im Wiener Akademietheater gespielt) setzen dann die großen Erfolgsstücke ein — „Yerma“, die Tragödie unerfüllten Frauentums, „Dona Rosita bleibt ledig“, das gleiche Thema, nur zarter, lyrischer, gleichsam bürgerlicher abgewandelt (unvergeßlich auch seit seiner Akademietheaterinterpretation durch Alma Seidler!), und schließlich „Bernarda Albas Haus“ (1936), das Nur-Frauensttfck in strenger, dörflicher Enge, die Tragödie der Muttertyrannin und ihrer so verschiedenen Töchter, ein „Huis-clos“ der Frauen, zeremoniell, konservativ-spanisch — und dagegen sich auflehnend; wohl Lorcas stärkstes, überzeugendstes Werk —, mit einer Handvoll prachtvoller Frauenrollen.

Im Insel-Verlag ist nun auch das Bändchen „Zigeunerromanzen“ erschienen — noch fehlen hier weitere Publikationen, von einer Rowohlt-Ausgabe abgesehen oder Gedichten und Romanzen, einige Puppenspiele und die Fragmente zweier Dramen —, jetzt, wo also schon weit über die Hälfte von Lorcas schriftstellerischem Oeuvre vorliegt, kann man bedenkenlos zu höchsten Prädikaten greifen.

Federico Garcia Lorca. Granada und andere Prosadichtungen. Aus dem Spanischen von Enrique Beck. Im Verlag der Arche, Zürich. 72 Seiten.

Lorcas Prosa, die uns hier in einer kleinen, vornehm ausgestatteten Auslese vorgelegt wird, steht ebenbürtig neben seiner Lyrik und seinen Dramen. Wieder bezaubert uns seine starke, bildhafte, oft surreal-gegenständliche Sprache, die viel Welt hat, in der Mittelmeer ist und Mystik, die Farben des Südens und der Duft stiller Straßen in einer alten Stadt. Seine Sätze sind schön, und man möchte Beispiel auf Beispiel zitieren, um zeigen zu können, wie schön sie sind: „Die große Glocke der Kathedrale versprühte über die Stadt einen Regen von Kupfer-glöckchen ...“; diese Sätze machen keine Feststellungen, sie sagen nichts, sie singen, sie spielen, sie rühmen, sie bekränzen Leben und Seele, die sie lieben. — Im ersten Teil des Bändchens sind Essays (öder sagen wir doch gleich lieber nur: Prosadichtungen) zusammengestellt, die Granada besingen, Granada, das das Verkleinerte liebt, den Diminutiv, das Paradies, das für viele verschlossen ist, das Gärten hat und abgeschlossen ist von der unbegrenzten Welt. Der zweite Teil enthält eine Plauderei über das Theater, die uns den Weg zu den Dramen Lorcas erleichtert, und zwei surrealistisch gearbeitete Persiflagen verlogener Zeitungsreportagen, während im dritten Teil mit „Santa Lucia und San Lazaro“ und der „Enthauptung des Täufers“, die in einen Wettkampf eingeblendet ist, die dichtesten und schwierigsten Stücke stehen. Das verschmockte Nachwort des Uebersetzers ist dem Verständnis Lorcas in keiner Weise dienlich.

Dr. Wieland Schmied

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