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Lorcas Tod

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Vor 40 Jahren, am 19. August 1936, starb der größte Dichter, den Spanien in diesem Jahrhundert hatte, unter den Kugeln eines Exekutionskommandos in Granada. Er war 38 Jahre alt. Die Verantwortung für den Tod des Federico Garcia Lorca wurde, als die Fragen auch nach Bürger- und Zweitem Weltkrieg nicht verstummten, vqn der Falange auf die „lokalen Behörden“ abgeschoben und blieb hauptsächlich an der Guardia Civil hängen. Hauptindiz für die Täterschaft der Landgendarmerie war deren Haß auf den Dichter, der wiederum auf Versen beruhte, die in den Jahren der Republik immer ivieder zitiert /worden waren:

Schwarze Pferde. Schwarze Eisen. Auf den Capas glänzen Flecken, die von Tinte sind und Wachs. Ihre Schädel sind aus Blei, darum weinen sie auch niemals. Ihre Seelen sind aus Lack — damit kommen auf der Straße über Land sie hergeritten...

Der irische Hispanist Jan Gibson wollte in Granada Material für'eine Doktorarbeit über Lorca sammeln, doch wurde daraus eine Materialsammlung über Lorcas Tod. Sein in spanischer (!) Sprache geschriebenes Buch erschien in Paris und wurde mit dem Prix International de la Presse ausgezeichnet. Einer englischen Ausgabe folgte nun die deutsche als Suhrkamp-Taschenbuch 197 „Lorcas Tod“ (286 Seiten, 26 Abbildungen, öS 61,60). Sie wurde nach Francos Tod nicht mehr revidiert, dochTiaben Gibson (der an der London Vniversity Spanisch unterrichtet) seine Sprachkenntnisse so viele Türen geöffnet, daß man nicht den Eindruck gewinnt, weitere Recherchen könnten mehr als Ergänzungen und Detailrevisionen bringen. Aber wer weiß? Gibson sollte nicht darauf verzichten, im nun liberaleren Spanien nach weiteren Fakten zu suchen und das Ergebnis, wie immer es ausfällt, in einer erweiterten Neuauflage vorzulegen. Eine noch unter Franeo in Spanien durchgeführte Recherche kann nach Francos Tod nicht mehr das letzte Wort zu einem solchen Thema sein.

Der Preis für journalistische Leistungen wurde mit Recht verliehen, Gibson hat penibel recherchiert und mit allen noch verfügbaren Zeugen gesprochen — ein Teil ist in der Zwischenzeit gestorben. Seine Ergebnisse können hier nur knapp zusammengefaßt werden.

Die Guardia Civil, so Gibson, hatte mit dem Tod des Dichters nichfs zu tun. Seine Erschießung war aber auch weder eine Impulshandlung noch ein Übergriff lokaler Behörden. Lorca, so Gibsons zentrale These, wurde ,vom konservativen Spanien so gehaßt, daß er, wenn ihm die Flucht nicht gelang, verloren war. Gewisse, das Geschehen verniedlichende Theorien gehen am Klima des Hasses und der Gewalt, das damals ins Spanien herrschte, vorbei. So wurden zugleich mit Lorca fünf harmlose Universitätsprofessoren erschossen — wie Dutzende anderer prominenter Männer aus Granada.

Der im Haus von Freunden verhaftete Dichter wurde zweieinhalb Tage gefangengehalten. In der Zwischenzeit versuchte sein Vater, Aufschub zu erhalten, aber obwohl sich Lorcas Verhaftung schnell herumsprach, versuchte keine Ämtsperson, Spaniens größten Lyriker zu retten: Er „wurde ermordet von einer Gesinnung“.

An einem ist, wie immer man Ian Gibsons Untersuchungsergebnisse dreht und wendet, nicht mehr zu zweifeln: Lorca gehörte einer Intelligenzschicht an, deren Dezimierung auf dem Programm der Falange stand, er war ein Opfer von unzähligen (auf beiden Seiten), und das Todesurteil wurde von den höchsten zuständigen militärischen Autoritäten Andalusiens, bis hinauf zum militärischen Gouverneur, General Queipo de Llano, bestätigt.

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