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Alberto Méndez' Erzählungen über den Spanischen Bürgerkrieg.

Das Schweigen ist ein Raum, eine Höhle, in die man sich flüchten, aber nicht retten kann. Das Schweigen nimmt kein Ende, es wird durchbrochen; es zeichnet sich vor allem durch seine Zerbrechlichkeit aus." Der Autor dieser Sätze ist der spanische Verleger Alberto Méndez (1941-2004), ein Gegner des Franco-Regimes. Kurz vor seinem Tod hat er das einzige Buch seines Lebens veröffentlicht, 'Die blinden Sonnenblumen".

Es wird als 'Roman" verkauft; tatsächlich handelt es sich um vier lose verbundene Erzählungen, die ein einziges Thema umkreisen: Die Sieger des Spanischen Bürgerkrieges seien eigentlich die Verlierer. Méndez geht es um folgendes: 'Etwas überwinden bedeutet, nicht einfach einen Strich zu ziehen oder es als vergessen zu betrachten. Nach einer Tragödie ist die Trauerarbeit unerlässlich, unabhängig davon, ob es zu einer Versöhnung kommt oder nicht. In Spanien fand solch eine Trauer, die unter anderem die öffentliche Anerkennung tragischer und vor allem irreparabler Ereignisse bedeutet, nicht statt."

Die jüngste Publikation in deutscher Sprache zum Spanischen Bürgerkrieg - es ist die Übersetzung eines französischen Buches von Pierre Vilar - bestätigt diese Diagnose: 'Heute neigt man dazu zu sagen: Denken wir nicht mehr daran, das war eine traurige Verirrung."

Der spanische Bruderkrieg hatte einst Europa, ja die Welt leidenschaftlich entzweit. Deutschland und Italien unterstützten den Putsch-General Franco; die Sowjetunion und Tausende Freiwillige aus vielen Staaten Europas und den usa kämpften auf der Seite der Linken, der Republikaner. Heute schert man sich außerhalb Spaniens kaum mehr um die Ereignisse von vor siebzig Jahren: Für junge Europäer reiht sich Franco nahtlos nach Hitler und Stalin ein. Und in Spanien ist die belastete und belastende Vergangenheit erst in jüngster Zeit durch die Enkelgeneration zum Thema gemacht worden, als junge Leute fragten, wo denn die Gräber ihrer Großväter seien. Sie erfuhren, man wisse nicht, wo die Gegner sie verscharrt hätten. Hunderttausende Spanier hatten einander zwischen 1936 und 1939 getötet.

Schwarz-Weiß-Malerei

Méndez versucht mit seinem erschütternden Buch, die Toten dem Vergessen zu entreißen. Ob dieses Buch in seiner (sehr guten) deutschen Übersetzung inhaltlich verstanden werden kann, muss allerdings bezweifelt werden. Kein Vor-oder Nachwort rückt die persönlichen Schicksale in den heute nicht mehr allgemein bekannten Zusammenhang. So hat der Leser keine Gelegenheit zu erkennen, dass hier ein Autor Schwarzweiß-Malerei betreibt: Die moralischen Verbrecher sieht er ausschließlich auf der konservativen Seite. Nur ein Beispiel: Ein verklemmter Priester-Kandidat stellt einer Frau nach, die er für eine Witwe hält, während sie ihren Mann, einen 'Roten", bei sich versteckt. Der 'Schwarze" wird schuld am Selbstmord des 'Roten". Ist diese Geschichte repräsentativ für die Rolle der katholischen Kirche im spanischen Bürgerkrieg? Bischöfe segneten Franco-Soldaten, aber Bischöfe wurden auch ermordet, ebenso wie Tausende Nonnen und Priester.

Alle Figuren dieses erschreckenden Buches sind wandelnde Wundmale, Trauernde, Erniedrigte, Versteinerte. Das Fazit aus dem Bürgerkrieg lautet: 'Was auch immer du tust, die Hälfte deiner Leute wird immer gegen dich sein. Es ist wie ein Fluch. Also ist auch niemand verpflichtet, es wirklich gut zu machen."

Nach Francos Tod schafften die Spanier den Weg in die Demokratie gut, nicht zuletzt dank ihres Königs Juan Carlos, den Franco 1969 offiziell zu seinem Nachfolger bestimmt hatte. Dass die unterlegene spanische Linke seit den dreißiger Jahren bis heute größere Anziehungskraft für Intellektuelle und Dichter hat, dafür stehen die Namen Lorca, Machado, Goytisolo und im Ausland Hemingway, Dos Passos, Orwell. Ob Méndez' Buch den Sprung in diese erste Reihe schaffen wird, muss der Leser entscheiden.

DIE BLINDEN SONNENBLUMEN

Roman von Alberto Méndez, aus dem Spanischen von Angelica Ammar

Verlag Antje Kunstmann, München 2005

188 Seiten, geb., e 17,40

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