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Die "Edition Zwei" im Wieser Verlag: Eine Verlockung zum unbekannten Original.

Zweisprachige Ausgaben sind oft die einzige Möglichkeit, das Original zu lesen; das ständige Suchen im Wörterbuch würde den Lesegenuss töten, aber der mögliche Blick auf die Übersetzung daneben ist eine brauchbare Hilfe, wenn man die Originalsprache nicht gut genug beherrscht, um Literatur zu lesen. Wer ganz auf die Übersetzung angewiesen ist, wird gelegentlich doch zu einem Blick auf das Original verführt, vor allem bei Gedichten, wo man geneigt ist, dem Einzelwort nachzugehen und die Form des Originals und der Übersetzung zu vergleichen. Die "Edition Zwei" - eine gemeinsame Initiative von Bank Austria und Kulturkontakt Austria im Wieser Verlag - präsentiert Gedichte und Erzählungen aus den neuen EU-Ländern und verführt zu einem Ausflug in Sprachen und Literaturen der Nachbarländer, die für die meisten Österreicher noch böhmische Dörfer sind. Die Reihe startete 2002 mit der Erzählung "Zurück nach Breitenheide" des polnischen Autors Wlodzimierz Kowalewski, einer Künstlergeschichte, in der die masurische Seenlandschaft zum Ort heftiger Kunst-Debatten wird, zwei Erzählungen des Ungarn Károly Méhes, deren erste in wechselnden Zeitebenen Erinnerungen nachgeht, und Gedichten der tschechischen Lyrikerin KateÇrina RudÇcenková.

Mittlerweile liegen drei weitere Bände vor: "Der Simurg" des Kroaten Stanko Andri´c ist ein breites Gemälde Slawoniens zwischen Großmüttern, Kühen ("die unvergleichlichen Kühe, die plumpen Schutzengel meiner Kindheit!") und der Bibliothek des Pfarrers. "Rasch und gierig verschlang ich die Grammatik der Jahreszeiten, diesen aufregenden Lehrstoff, der zu Recht seinen zentralen Platz in den Programmen der Volksschule einnimmt, diese grundlegende vierfache Verteilung der Vielfalt der Welt" - eine Notiz, die programmatisch ist für ein Erzählen, das aus einer ganz anderen Zeit und Welt zu kommen scheint.

Aus der noch immer am wenigsten bekannten Literatur der Slowakei ist Jana JuráÇnová mit der Erzählung "In ein Netz gehüllt" vertreten - eine Prosa, die dezidiert aus der Perspektive einer Frau um eine Liebe hinter aller Aggression und Demütigung kreist, aber auch immer wieder um das Meer, das am Schluss alle Spuren wegspült.

Ein Höhepunkt der Reihe sind die Gedichte der in Berlin lebenden slowenischen Autorin MaruÇsa Krese, die um die "Yorkshire-Tasche" kreisen, die sich in (alp)traumhaften Verwandlungen durch alle Gedichte zieht: "Die Glückstasche. / Die Lebenstasche, gefüllt mit Schlaflosigkeit, / den Leiden meiner Kinder, / dem Schmerz des zigeunernden Bluts, / leeren Versprechungen, / Hunger nach Lachen, / nach Besserem, nach Sonne, / nach unbekannter Zärtlichkeit." MaruÇsa Krese, von der bereits mehrere Bücher auf Deutsch vorliegen, hat eine internationale Biografie; die Gräuel, die sie am Balkan, vor allem in Sarajevo erlebt hat, spiegeln sich in ihren Versen: "Weißt ja, es ist keine Zeit für Sanftheit, / für Gute Nacht und Lachen. / Für Brotebacken und Briefeschreiben / und Einsicht / das ist vorbei." Auf Klischeebilder von balkanischer Fröhlichkeit und einer heilen Natur- und Menschenwelt ("Wind, der weht, / Schiff, das fährt, / Sonne, die untergeht, / Ich, die ich lache") folgt der lapidare Gedichtschluss "Vielleicht war es wirklich so. / Ich kann mich nicht mehr erinnern." Versprengte Kindheitserinnerungen überzeugen in diesen Gedichten ebenso wie die Blitzlichter einer Heimatlosen, lakonische Verknappung zu sentenzhaften Kurzzeilen gelingen ihr ebenso wie Erzählelemente in Langzeilen. Hier hat eine bedeutende Lyrikerin ihre Themen und ihre Sprache gefunden - gerade hier zieht das Original immer wieder den Blick auf sich.

Die "Edition Zwei" ist ein wichtiges Votum für Zweisprachigkeit und einen Dialog der Sprachen und Kulturen. Sie dokumentiert den kulturellen Reichtum, der uns mit der EU-Erweiterung zugewachsen ist aber - Beispiel Kroatien - nicht darauf beschränkt ist.

YORKSHIRE TASCHE / YORKSHIRE TORBA. Gedichte. Von MaruÇsa Krese. Aus dem Slowenischen von Brigitte Struzky. 120 Seiten, geb., E 15,30

SIMURG / DER SIMURG. Roman. Von Stanko Andri´c. Aus dem Kroatischen von Klaus Detlev Olof. 240 Seiten, geb., E 15,30

DO SIETE ODETÁ / IN EIN NETZ GEHÜLLT. Prosa. Von Jana JuráÇnová. Aus dem Slowakischen von Angela Repka. 160 Seiten, geb. E 15,30

Alle: Wieser Verlag Klagenfurt.

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