Guten Geschmack, was die Besetzung von Posten betrifft, haben politische Parteien noch selten bewiesen. Der gegenwärtige Wahlkampf ließ politische Personalentscheidungen immer wieder zum Thema werden. Auch die Rochaden, deren sich der ORF zumindest bei der Neuwahl seiner Generalintendanz zu befleißigen hat, werden von der politischen Farbenlehre mit bestimmt. (Gott sei Dank, wie immer der 3. Oktober für Österreich ausgehen mag: Gerhard Weis und die Seinen sind noch für eine eine gute Weile währende Amtszeit gewählt.)
Doch trotz aller schon gehabten Wahlen beim ORF sind mitunter neue Konstellationen im Kommen. So muß beispielsweise ein ORF-Kurator des Landes Steiermark nachbesetzt werden, da der bisherige Vertreter, Richterpräsident Josef Klinger, bei einem Radunfall verstarb.
Auf einen Nachfolger konnten sich die Steirer bis dato nicht einigen. Zehn Bewerber soll es zur Zeit geben - ein Buchverleger, ein bekannter Jazzmusiker und Professor an der lokalen Musikuniversität, ein Medienrichter, ein Rechtsanwalt, ein Zeitungsverleger, der Pressereferent einer Freiwilligen Feuerwehr, ein Pastoralmitarbeiter, ein Landwirtschaftsschuldirektor sowie ein freischaffender Künstler und nach eigenen Angaben "regionaler Medienpolitiker".
Auch ein prominenter ORF-Mann ist mit im Gerede: Günther Ziesel, Moderator der ORF-Pressestunde und Ex-Landesintendant in der Steiermark, wurde von der dortigen ÖVP und FPÖ ins Gespräch gebracht. Daß auf diese Weise ein ORF-Mann gleichzeitig ein ORF-Kontrollor würde - wen stört das schon?
Die derzeitige Wahlzeit bringt es mit sich, daß vor dem 3. Oktober nichts geht. Also wohl auch keine Entscheidung für den freien steirischen Posten. Danach aber wird die bundespolitische Konstellation nicht ohne Einfluß bleiben.
Als gelernte Österreicher sind wir wenig optimistisch, daß die ORF-Kontrolle sich ohne Parteipolitik machen läßt. Denn was immer nach dem 3. Oktober geschieht, die Parteien werden Einfluß nehmen. Nicht nur im Staate, sondern auch im ORF.
Einige der Bewerber, nicht zuletzt der Politiker-Interviewer Ziesel, würden im ORF-Kuratorium kaum mehr als einen steirischen Beigeschmack hinterlassen.
