7135380-1997_44_19.jpg
Digital In Arbeit

Herzlose Sangeskunst

Werbung
Werbung
Werbung

Einen größeren, allgemeineren und stürmischeren Enthusiasmus hat noch nie jemand in Wien erregt wie Donizetti”, schwärmte die „Allgemeine Theaterzeitung” nach der Uraufführung von „Linda di Chamounix” im Jahre 1842. Ganze 17mal trat Gaetano Donizetti im Kärntnertortheater vor den Vorhang; die Wiener waren begeistert von jener Oper, in der eine junge Frau, von ihrem Geliebten verlassen und von ihrem Vater verstoßen, vorübergehend dem Wahnsinn verfällt, schließlich aber - etwas abru pt -wieder in die Normalität sowie in die Arme der Eltern und des Angebeteten zurückkehrt. Der italienische Komponist selbst hatte weniger Glück: vier Jahre nach diesem Triumph wurde er in eine Pariser Irrenanstalt eingeliefert, wo er 1848 in geistiger Umnachtung starb.

Daß die jüngste „Linda”-Premiere der Wiener Staatsoper von manchen Kritikern beinahe ähnlich hymnisch wie die Uraufführung gefeiert wurde, ist allerdings nicht ganz verständlich. Sicher, Edita Gruberova ist überragend ; bravourös meistert sie scheinbar mühelos die atemberaubendsten Koloraturen. Auch was Thomas Hamp-son als Vater und Alastair Miles in der sinistren Bolle eines Präfekten bieten, ist Weltklasse.

Doch die hohe Sangeskunst vermag nur selten die Herzen der Zuse-her zu berühren. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Das Libretto des vielbeschäftigten Gaetano Rossi, der zwei Generationen italienischer Komponisten belieferte, ist einfach schwach. Donizettis Musik plätschert über weite Strecken saft- und kraftlos dahin (musikalische Ieitung: Bruno

Campanella). Laut Programm stammt die Inszenierung von August Everding, man könnte allerdings glatt glauben, die Staatsoper hätte diesmal auf einen Begisseur verzichtet: Da werden keine Beziehungsgeflechte gesponnen, sondern blasse Einzelfiguren vorgeführt. Das - zugegebenermaßen ausgefeilte Bühnenbild von Philippe Arlaud versucht vergeblich, die mangelnde Bewegung der Gemüter durch die unablässige Bewegung von Bergen, Felsen und Häusern zu kompensieren; eine Effekthascherei, die auf die Nerven geht. „Linda di Chamounix” - eine Enttäuschung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung