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Yvonne Georgi

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Der Name ist für alle am Ballett Interessierten seit Jahrzehnten ein Begriff. Während der letzten Jahre wurde er im Zusammenhang mit der Uraufführung aufsehenerregender neuer choreographischer Werke immer wieder genannt. Zuletzt brachte Yvonne Georgi zwei für sie geschriebene elektronische Ballette von Henk Ba- dings und — an der Wiener Staatsoper — „Ruth“ von Heimo Erbse heraus. Im vergangenen Jahr gastierte sie mit ihrer Truppe bei den Internationalen Tanzfestspielen in Monte Carlo, wo die berühmtesten Solotänzer und Ensembles aus London und Paris, Kopenhagen und New York auftraten, mit einer Reihe zeitgenössischer Werke (von Anouilh und Dutilleux, Morton Gould, Hindemith, Badings und Blacher). — Der Erfolg war so eindeutig, daß man daraus auf den internationalen Standard nicht nur der Choreographin, sondern auch ihrer Truppe, die sie aus Hannover mitbrachte, schließen kann.

Die Frau mit dem reizvollen exotischen Gesicht wurde in Leipzig geboren und hat eine aus Algier stammende Französin zur Mutter. Nach einer Vorausbildung in Besanęon kam sie nach Dresden zu Mary Wigman, deren Meisterschülerin sie wurde. Bald trat sie nicht nur in der berühmten Wigman-Truppe auf, sondern gab auch zahlreiche Solotanzabende. Bezeichnend für sie ist, daß sie damals schon — von Alfred Schlee, dem heutigen Leiter der Universal-Edition, beraten, der auch ihr Begleiter am Klavier war neueste Musik für ihre Programme wählte. An einem ihrer ersten Abende im Jahre 1922 tanzte sie nach Musik von Krenek, Hindemith und Milhaud.

Später arbeitete sie auch mit Kurt Joss und dem Choreographen Victor Gsovsky zusammen. Dann wurde Harald Kreutzberg ihr Partner, und das berühmte Tänzerpaar Georgi-Kreutzberg bereiste die halbe Welt. (Zu Beginn der dreißiger Jahre sah der Verfasser dieser Kurzmonographie in Berlin eines der größten Ballette dieses Duos, „Die Planeten“, nach der Musik des englischen Komponisten Gustav Holst, mit dem Yvonne Georgi auch heute noch freundschaftlich verbunden ist.)

Nach 1933 war in Deutschland für Experimente, wie Yvonne Georgi sie liebte, kein Platz mehr, und bereits 1936 nahm die berühmte Tänzerin Wohnsitz in Amsterdam, wo sie eine Ballettschule gründete. - Hier lernte sie auch L. A4. G. Arntzenius kennen, einen künstlerisch vielseitig gebildeten und interessierten Publizisten, der nicht nur ihr Mann, sondern auch ihr Berater und Mitarbeiter wurde.

Aber Yvonne Georgi ist nicht nur Tänzerin, sondern auch Choreographin und Pädagogin. Bereits 1925 kam sie als Ballettmeisterin nach Gera, wohin sie der Erbprinz Reuß gerufen hatte. Dann folgten Hannover, Amsterdafn, Düsseldorf (1950) und zuletzt wieder Hannover, wo Yvonne Georgi gegenwärtig das Ballett des Landestheaters leitet und wo man ihr ideale Arbeitsbedingungen geboten hat.

Yvonne Georgi, die Mo-derne von 1922, steht auch heute noch — oder wieder — in der vordersten Linie. Für ihren Wagemut, vor allem aber für ihre Musikalität, spricht die Tatsache, daß sie es als Erste unternommen hat, elektronische Musik, von der es bekanntlich keine normale Partitur gibt, zu choreographieren. (Damit entfällt ein wichtiges Hilfsmittel für das Einstudieren eines neuen Werkes.) Außerdem ist ihr eine sehr schwierige, aber durchaus notwendige und zeitgerechte Synthese gelungen: die der wichtigsten Elemente des für die zwanziger fahre typischen „Ausdruckstanzes“ mit der Grammatik des klassischen Balletts, auf der alle neueren Tanzschöpfungen von Yvonne Georgi beruhen. Hiervon konnte man sich bei ihrem Ballettabend in der Wiener Staatsoper überzeugen, bei dem sämtliche Gattungen vertreten waren: klassisches und modernes „ballet blanc“, Handlungsballett und jenes neuartige Genre, das der Titel „Evolutionen“ umschreibt, den man als Motto über das künstlerische Leben und Streben von Yvonne Georgi setzen könnte

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