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Aus dem Nachlaß

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De mortuis nil nisi bene #— gut und schön, doch man tut Vittorio de Sica sicher nichts Gutes, wenn man sein letztes Regieopus widerspruchslos hinnimmt. Es steht nämlich außer Zweifel, daß de Sicas Filmadaption der Novelle „II viaggio“ von Luigi Pirandello unter dem Titel „Die Reise nach Palermo" eine bestellte (und sicher hoch dotierte) Auftragsarbeit Carlo Pantis war, keine Wunschvorstellung des Regisseurs. Er sollte hier eindeutig einen Kommerzfilmerfolg liefern, in dem zwei Weltstars miteinander vereinigt werden mußten (Sophia Loren und Richard Burton), der eine tragische Liebesgeschichte aufweist und der im derzeit beliebten noblen Milieu und an effektvollen Schauplätzen womöglich um die Jahrhundertwende zu spielen hat — alles im Zeichen der modisch-modernen Nostalgie … Und so verfiel „man“ (wer? De Sica vielleicht — ironisch als Gegenstück zu Visconti?) auf Pi- randellos Erzählung von einem anderen „Tod in Venedig“, die in einer eher Lelouch als dem Stil des einstigen Meisters des Neoverismo ähnelnden Weichzeichnungstechnik in nostalgischen Dekors, Interieurs und kostbaren Kostümen zelebriert wird. Mag zumindest äußerlich Pi- randellos Welt stimmen, so aber keineswegs in der Darstellung: Richard Burton spielt nicht einen Augenblick den noblen sizilianischen Conte Braggi, sondern bestenfalls dessen ausländischen Kutscher — und Sophia Lorens Herztod im Hotel Danieli ist weniger erschütternd,

als es für den Erfolg des Films gut wäre… Vittorio de Sica wird uns mit seinen Meisterwerken der vierziger und fünfziger Jahre in Erinnerung bleiben, mit „Sciuscia“, „Fahrraddiebe“ und „Umberto D.“, vergessen wir darüber seine letzte „Reise“…

Auch Claudio Guerin Hill, ein spanischer Regisseur, starb während der Aufnahmen zu seinem Horrorschocker „Ein Toter lacht als letzter", der — von einem Kollegen fertiggestellt — nunmehr bei uns gezeigt wird. Diese ebenso wirre wie unsympathische Geschmacklosigkeit, aus der man mit sehr viel gutem Willen eventuell eine Anthologie von E. A. Poe-Motiven herauslesen kann, darf aber auch als Nachlaßwerk keine Müde bei der Beurteilung finden.

Als moderne Version der berühmten Detektivromane Chandlers oder Hammetts entpuppt sich Roman Po- lanskis neuestes Opus „Chinatown". Der Titel ist zweideutig gemeint: als Lokalität in Los Angeles und als Erinnerungskader im Gedächtnis des Privatdetektivs Gittes (Jack Nicholson), der in einen Mord verwickelt wird. Ziemlich zwiespältig aber ist der ganze Film, bei dem vieles unklar und mysteriös bleibt, der schlecht geschnitten und fast schlampig gemacht ist, sich aber durch hervorragende Zeit- und Milieuauthentizität auszeichnet — und durch hervorragende Darstellerleistungen, vor allem Faye Dunaways. Polanski-An- hängern wird es hier nicht leichtgemacht …

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