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De Sicas Vermächtnis

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Wenn auch das feiertägliche Filmangebot nicht immer so war, wie es zu wünschen gewesen wäre, so scheinen die Verleiher immerhin ihre Film-Festtagskiste noch nicht erschöpft zu haben. Auch jetzt gibt es einige neue Filme, die sehenswert sind, einen sogar, den man gesehen haben muß: nämlich Vittorio de Sicas vorletzte Regieärbeit „Ein kurzer Urlaub“, die er noch vor seiner (auch ihn selbst nicht ganz zufriedenstellenden) „Reise nach Palermo“ inszenierte. In diesem Meisterwerk, das nun als würdiger Nachlaß des Ende 1974 verstorbenen großen Schauspielers und vor allem Regisseurs uns erreicht, geht de Sica wieder zu den Wurzeln zurück: zusammen mit seinem ständigen Drehbuchautor Cesare Zavattini, mit dem er alle seine großen Filme, Klassiker, wie „Sciuscia“ und „Fahrraddiebe“, schuf, gelang ihm hier mit der Darstellung einer lungenkranken Mailänder Arbeiterfrau, die sich in einem Sanatorium in den Bergen zur Genesung aufhält und hier zum ersteh Met so''etwas wie- eine bewußte Menschwerdung erlebt, wieder ein Meisterwerk, das zu den schönsten Filmen de Sicas gezählt werden muß und sich in die Reihe seiner großen neoveristischen Werke gleichwertig einreiht. Was er hier zeigt, ist Neoverismo in seiner pursten und geläutertsten Form im Stile der siebziger Jalrre unseres Jahrhunderts : die Anfangssequenzen, wenn die Frau die tägliche Mühsal des familiären Haushaltes erlebt, wenn sie in der Fabrik arbeitet und schließlich zur Krankenkasse kommt, sind nicht weniger klassische und unsterbliche Filmkunst als die großen Szenen in seinen „Ladri di bioi-clette“, und in Florinda Bolkan hat der geniale Regisseur eine Darstellerin gefunden, die als Schauspielerin nicht minder überzeugend wirkt als die Laien im Neoverismo der vierziger Jahre. Dieser „Zauberberg“ de Sicas („Ein kurzer Urlaub“) ist ein Film, den niemand versäumen sollte, der im Film mehr sieht als Unterhaltung — ein Werk, das einmal in der Filmgeschichte genannt wird.

Auch „Die drei Tage des Condors“ ist sehenswert, wenn auch in anderem Maßwert; Sydney Pollack („Auch Pferden gibt man den Gnadenschuß“, „Jeremiah Johnson“ u. a.) versucht hier eine Spiegelung der akuten Angst vor der Allmacht der Behörde und ihrer geheimen Organisationen — und tut dies in so ästhetisch-eleganter wie stilistischkünstlerischer Form, daß' man mehr ah Remake von Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, oder vor allem an dessen klassische „39 Stufen“ denkt. Bewundernswert daneben der Mut der Amerikaner, aktuelle eigene Mißstände der Welt im Film zu demonstrieren. Bei uns gibt es dergleichen nicht, allerdings auch weder einen solchen Film noch selbstverständlich Mißstände...

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