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Der König ist tot

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Der Tod eines Großen überschattet an Bedeutung bei weitem die Aktualität des ddeswöchigen Kinoangebots, von dem nur die Wiederaufführung eines englischen Klassikers und die deutschsprachige Erstaufführung einer liebenswerten französischen

Sittenkamödie herausgehoben werden sollen. Doch das — vom Kenner schon länger befürchtete — Ableben Vittorio de Sicas, der sich von einer Lungenoperation nicht mehr erholte, dieses Größten unter den Filmschaffenden Italiens, erschüttert in seiner Tragik die ganze Filmwelt. Doch selbst in den Nachrufen — dm ORF/ Fernsehen und in den beiden auflagestärksten Wiener Tageszeitungen — wurde Ihm nicht Gerechtigkeit zuteil, zeugen von keinerlei historischer Kenntnis’ getrübte Unrichtigkeiten von der geringen Einschätzung dieses ebenso großen (wenn auch einseitig eingesetzten) Schauspielers wie genialen Regisseurs in unseren Kulturkreisen: de Sica, am 7. Juli 1902 in Sora/Frosinonę geboren, Jus-Student, dann Schauspieler, wurde ein Jahr nach seiner Berührung mit dem Film eigentlich erst von Mario Camerini „entdeckt“ und wurde zum Repräsentanten des jungen Mannes ohnie Bankkonto, des Schwerenöters und Vorstadtoasano- vas im italienischen Film der Kriegs-

und Vorkriegsjahre, später, als „Gentleman mit den grauen Schläfen“, zum Idealtyp des italienischen Adeligen, des Nobile. Doch aus der jahrelangen, engen Zusammenarbeit mit Camerini, der sein Lehrmeister war und mit dem er oft die kleinen Viertel Roms und Neapels durchstreifte, entstand der Filmruhm de Sicas, der den als Schauspieler in den Schatten stellen sollte: von den Menschen, die sie dort trafen, hat er alles gelernt und übernommen, was ihn in seinen frühen Filmen seine Rollen so lebensecht gestalten ließ. Schon damals schrieb ihm das Leben selbst die Drehbücher, war die Straße die Dekoration, kannte er die Grundlagen genauestem, die ihn als Mitbegründer des Neoverismo mit Filmen wie „Sciuscia“, „Das Wunder von Mailand“, „Umberto D.“ und ,Das Dach“ unsterblich machten und endlich mit „Fahrraddiebe“ ‘ einen der bedeutendsten Filme seiner Zeiten schaffen ließ. Sein Platz in der Film- geschichte ist gesichert.

Doch der König ist tot, es lebe der König, das Spiel geht weiter: und so seien Filmin’teressierte zumindest kurz auf die beiden sehenswerten Streifen dieser Woche aufmerksam gemacht, vor allem auf die französische Sittenkomödie „Der Mann im roten Rock“ nach einem berühmten Roman von Claude Tillier, die der Sprachkundige aber daneben, in in einem zweiten Kino, auch in der Originalfassung als „Mon Onele Benjamin" genießen kann. Was für eine intelligente Idee — die hoffentlich den verdienten kommerziellen Erfolg erzielen und damit ihre Fortsetzung erleben wird! Und wer im Kino vergnügliche filmhistorische Forschungen treiben will, sehe sich die Wiederaufführung des englischen Alexander-Korda-Films aus dem Jahr 1941 „Lady Hamilton“ (mit Vivian Leigh und Laurence Olivier) an; heute entdeckt man mit größtem Spaß, was für ein prachtvoller politischer Kriegs-, bzw:- Siegeapropa- ganda-Film (ein ex aktes britisch - kühleres Gegenstück zu den in den gleichen Jahren stilistich ähnlichen, nur mit mehr Holzhammertendenz gemachten deutschen Polit-Filmen) diese tragische Liebesgeschichte in Luxusverpackung eigentlich ist…

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