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HEITERKEIT MIT HINDERNISSEN

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„Viennalen“, von denen vor allem die erste im J-l Jahre, i960 künstlerisch außerordentlich erfolgreich verlaufen war, nahm der „Verband der österreichischen Filmjournalisten“ das Wagnis auf sich, das Programm der „Dritten Wiener Internationalen Filmfestwoche“ auf das heitere Genre einzuschränken. Da die Veranstaltung — wie schon die „Vien-nale“ des Vorjahrs — in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Wien durchgeführt wurde, war nicht nuT ihre finanzielle Sicherung gegeben, sondern auch nach außen hin ein offizieller Charakter betont.

Das „Festival der Heiterkeit“ war von der richtigen Voraussetzung ausgegangen, daß auf den großen internationalen Filmfestspielen (Cannes, Berlin, Venedig) die humoristischen Filme bei den Preisverteilungen meist zu kurz kommen und noch große Teile des Publikums den Unterhaltungsfilm von Haus aus als etwas künstlerisch Minderwertiges betrachten.

Das Wiener „Festival“ vergibt keine Preise und zieht auch keine Starparade auf, es möchte vielmehr die Filme durch ihre Auswahl schon geehrt und hervorgehoben sehen und durch eine weltweite Überschau den heiteren Film dem Publikum näherbringen. Das ist nicht nur eine löbliche Absicht, sondern ein Verdienst. Besonders hervorzuheben ist auch, daß sich gerade die Filmjournalisten einer solchen Veranstaltung annehmen. Mir ist in der internationalen Filmwelt keine ähnliche Bemühung bekannt, die von den Leuten, die sich jahraus, jahrein mit wesentlich mehr schlechten als guten Filmen herumschlagen müssen, unternommen würde. Ein Festival des heiteren Films gab es bisher überhaupt erst in Bordighera, und dort offensichtlich mehr aus Gründen des Fremdenverkehrs.

An diesen Aspekt haben die Wiener Veranstalter bestimmt zu allerletzt gedacht. Sie haben aus den vorjährigen Erfahrungen gelernt, daß man den Film der übermächtigen Konkurrenz der Musik- und Theaterereignisse zu den Wiener Festwochen entziehen muß, und konnten sich zum heurigen Termin (8. bis 15. März) auch ein „besseres Kinowetter“ erwarten.

Das Barometer stand also im. Saal des KünstleThaus-Kinos bei der Hauptveranstaltung auf „vorwiegend heiter“. Die Organisatoren konnten wohl einen größeren Teil ihrer Programmwünsche verwirklichen, aber die Macht der Presse ist offenbar doch nicht so groß, daß es ihnen gelungen wäre, Filmproduzenten und -Verleihern ihre kostbarsten Humorschätze zu entlocken. So hatten allenfalls zwei Drittel der Hauptfilme das überdurchschnittliche Niveau, das die Aufnahme in das Programm einer Festveranstaltung rechtfertigt, und darunter erfreulicherweise vor allem jene Streifen, die in absehbarer Zeit auf dem normalen Verleihweg in unsere Kinos kommen werden.

So wurde Frankreichs Beiträg, die vitale, aber im Grunde bitterernste Kinderkomödie „Krieg der Knöpfe“, bereits vergangene Woche in der Filmrubrik dieses Blattes besprochen. Auf Vittorio de Sicas Werk, „Das Jüngste Gericht fand nicht statt“, in dem der italienische Regisseur eine von Schwächen sicher nicht freie, aber mit genialen Einfällen und einer Starbesetzung gesegnete Gesellschaftssatire entwickelt, wird man in Bälde ausführlich zurückkommen. „Lektion in Liebe“ wird den Freunden von Ingmar Bergman zeigen, daß der große Schwede nicht nur ernst und mystisch, sondern auch vor allem mit Hilfe eines funkelnden Dialogs und virtuoser Kammerspieldarsteller — charmant und beschwingt sein kann. „Only two can play“ wird beim späteren Kinoeinsatz den Titel „Die Liebe ist ein Spiel zu zweit“ tragen und besonders den Liebhabern des spezifisch englischen Humors und seines derzeitigen Spitzenkomikers, Peter Seilers, Vergnügen bereiten.

Interessante Beiträge waren auch noch Japans Schwejk-Tragikomödie „Der nackte General“, der halbdokumentarische „Großvater Automobil“ aus der Tschechoslowakei und die poesievolle russische Kindergeschichte „Der Sonne nach“. „Five golden hours“, unter amerikanischer Flagge segelnd und mit dem deutschen Verleihtitel „Schöne Witwen sind gefährlich“ angekündigt, ist nur mehr ein schwacher Ausläufer des berühmten makabren Humors der Engländer. Der erste ägyptische Spielfilm in Österreich, „Meine dreizehnte Frau“, zeigt, daß dieses Land auf kinematographischetn Gebiet noch immer zu den unterentwickeltsten zählt. Die bitterste Enttäuschung war aber der deutsche Beitrag, „Genosse Münchhausen“, ein trotz mancher treffsicherer Pointen verunglücktes politisches Kabarett von und mit Wolfgang Neuß.

Dafür schnitt Deutschland mit drei guten Kurzfilmen im Vorprogramm („Ein Münchner im Himmel“, „Die Gartenzwerge“ und „Die Teutonen kommen“) sehr erfolgreich ab.

Es ist für dieses Filmfestival keine Schande, daß die eigentlichen Hauptereignisse an der Nebenfront stattfanden; auch bei großen Filmfestspielen stellt oft eine Retrospektive das Hauptprogramm in den Schatten. So konnte man im mittleren Saal der Urania jene unbeschwerte und doch künstlerisch hochentwickelte Heiterkeit genießen, die sich im Künstlerhaus, bedingt durch die Schwere der Thematik oder die Mängel mancher Simultanübersetzung, nur selten richtig einstellte. Das Publikum jubelte geradezu bei den alten amerikanischen Stummfilmstreifen mit Buster Keaton, Stan Laurel, Oliver Hardy, Ben Turpin, Harry Langdon, Douglas Fairbanks, Billy Bevan, Monty Banks und vor allem dem unvergleichlichen Filmgenie Charlie Chaplin. Es fand mit Recht sein Entzücken an Rene Clairs Klassiker, „Die Million“ (1931), und der prächtigen tschechischen Sozialsatire „Hey Rup“. Luis Trenkers „Liebesbriefe aus dem Engadin“ (1938) und Ernst MaTischkas „Zwei in einem Auto' (1951) konnten sich daneben trotz ihrer thematischen Anspruchslosigkeit mit Anstand behaupten. Bei Jacques Preverts „Voyage surprise“ (1947) konnte man hingegen verstehen, warum der Film bisher außerhalb Frankreichs nicht gezeigt wurde, und auf die Aufführung der plumpgehässigen Militärhumoreske „Der k. u. k. Feldmarschall“ (1930) hätte man trotz der Mitwirkung von Vlasta Burian und Roda Roda verzichten können.

Da den Veranstaltern aus dem vorhandenen Material einige Filme übriggeblieben sind, gab es noch zusätzliche Matineevorstellungen. Unter den vier Filmen dieser „Informationsschau“ entsprach allerdings nur der italienische Streifen „Mein Freund Benito“ dem heiteren Grundmotiv der Gesamtveranstaltung, während der formal perfekteste zweifellos „Sanjuro“, ein blutigernster „Wildoster“ von Akiro Kurosawa mit Japans berühmtestem Star, Toshiro Mifune, in der Hauptrolle war.

An Reichhaltigkeit ließ also das Programm nichts zu wünschen übrig. 16 Nationen aus vier Kontinenten waren mit Langoder Kurzfilmen vertreten. Das ist sicher eine beachtliche Zahl, doch wird sich die Meisterschaft immer eher in der Beschrän-kung zeigen. Dieses Wiener „Festival der Heiterkeit“ soll sicher nicht das erste und einzige bleiben. Man sollte aber nicht versuchen, ein solches nun jedes Jahr um jeden Preis und gegen alle naturgegebenen Hindernisse aus dem Boden zu stampfen.

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