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Was hat Erfolg?

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Francis Scott FitzgeYald schrieb 1925 seinen Roman „Der große Gatsby” als Dokument einer Dekade, der „Roaring Twenties”, der verrückten zwanziger Jahre mit ihrem Tanz auf dem Vulkan. Zweimal wurde der Stoff bereits verfilmt, 1926 und 1949, doch ohne irgendwelchen filmgeschichtlichen Niederschlag. Doch jetzt, nach dem Sieg der Filmindustrie über die revolutionäre Jungfilm-Bewegung der endsechziger Jahre, in dem Trend der Neoromantik der „L’ove Story” und auf dem Höhepunkt der Nostalgie-Welle, konnte es nicht ausbleiben, daß die tragisch-süße Liebesgeschichte aus den Kreisen der obersten Zehntausend Amerikas nach dem Ersten

Weltkrieg so aufgewertet erschien, daß sie noch einmal auf die Leinwand kommen mußte: als teuerster, kostbarster und spektakulärster Film unserer Zeit, als Kassenschlager, der ‘selbst den Erfolg des ,,Paten” und „Exorzisten” übertreffen sollte. Francis Ford Coppola wurde für das Drehbuch aufgeboten, Jack Clayton für die Regie erworben und Robert Redford (und Mia Farrow, als Siegerin über Barbra Streisand, Candice Bergen und Faye Dunaway hervorgegangen) zum idealen Jay Gatsby erkoren. So war das große Geschäft vorprogrammiert — und eine gigantische Reklamewelle überflutete die westliche Welt: der

„Gatsby-Look” wurde zum Begriff, noch bevor der Film herauskam. So wurde ein Kassenschlager gemanagt — unwichtig, wie der Film nun wirklich ist. In England und den .USA sind die Kinos monatelang ausverkauft — werden wir kritischer sein? Wird bei uns dieses größte Kostümfest aller Zeiten, mit luxuriösen Dekorationen und gepflegten Schauplätzen, verschleierten Bildern und ästhetisch-erlesenen Details ebenso betören? Jedenfalls verdienen Theo- nie Aldrege und Ralph Lauren, die Filmausstatter, einen „Oscair”: sie haben genau das realisiert, was man sich unter einer Bestseller-Verfil- mung vorstellt — eine prunkvolle äußerliche Komposition effektvoller modisch-gängiger Wunschträume…

„Meine Filme sind voller Mißtrauen gegen jede dokumentarische Realität, sie sind gegen anekdotische Geschichten, so wie sie, im besten Sinne, im Kino Hollywoods zum Teil, bei Hawks zum Beispiel, repräsentiert sind, sie sind gegen Psychologie im ersten Schritt, so wie sich Psychologie in Dialogen, Disputen und Diskussionen und Schreien der einzelnen Darsteller gegeneinander ausdrückt — gegen Agitation und

Gag, gegen das Boulevardkino, um es global zu sagen!”

Diese Worte des Regisseurs Hans- Jürgen Syberberg zu kennen, ist eigentlich Voraussetzung, sieht man sich seinen neuesten (über dreistündigen) Film „Karl May” an; er ist genau das, was Syberberg als episches System seiner Filme bezeichnet — und was eben kein Zuschauer erwarten dürfte. Was man hier von Karl May sieht oder erfährt, ist (und ergibt) keine Biographie, keine psychologische Studie, kein gesellschaftskritisches Drama — sondern eine Art Mosaik, „ein Puzzlespiel” (so Syberberg), das den deutschen Schriftsteller von den verschiedensten Seiten beleuchtet und, zusammengesetzt, eine Art Charakterbild einer (der?) „deutschen Seele” assoziieren will und soll. Das Bilderlebnis entsteht sozusagen im Zuschauer selbst — weshalb es vielleicht notwendig wäre, den Film mehrere Male zu sehen (um ihn mehr und stärker zu empfinden).

In diesem Sinn ist der auf jeden Fall hochinteressante Film — der sicher ganz bewußt eine einmalige Besetzung nostalgischer Monumentalität aufweist: neben Helmut

Käutner als ideale May-Verkörpe- rung begegnet man Lil Dagover, Kristina Söderbaum, Käthe Gold, Mady Rahl, Attila Hörbiger, Rudolf Prack, Rudolf Schündler, Alexander Golling, Rudolf Fernau und Willy Trenk-Trebitsch — als Experiment und Versuch, dem Kino eine neue, tiefere Dimension zu erschließen, unbedingt sehenswert.

Aber das Publikum des Künstlerhaus-Kinos war leider nicht bereit, dem Schöpfer auf diesen schwierigen Wegen zu folgen, und so mußte der interessante Film bereits nach kurzer Laufzeit abgesetzt werden. Schade, schade! Eine kürzere und einfachere Fassune wäre wohl sinnvoller gewesen.

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