6849007-1976_37_13.jpg
Digital In Arbeit

Zwiespältiges Verhältnis

Werbung
Werbung
Werbung

Zu der äußerst bemerkenswerten Ausstellung im Marbacher Schiller-Nationalmuseum (bis Ende Oktober) erschien unter dem Titel „Hätte ich das Kino!“ eine Publikation. Als erklärender Untertitel, für diejenigen, die den begeisterten Ausspruch von Carlo Mierendorff nicht kennen: „Die Schriftsteller und der Stummfilm“. Ein bleibendes, wertvolles Nachschlagewerk für jeden an Film und Literatur Interessierten.

Schon in den Frühzeiten der Filmgeschichte wurden Literaturwerke, wie die „Drei Musketiere“, der „Ro binson“ oder „Taras Bulba“ — mitunter sehr primitiv und naiv — auf die Leinwand gebracht. Die Filmproduzenten brauchten zugkräftiges Material für die junge „Siebente Muse“. Die Auswirkungen der Lu-mierischen Erfindung waren aber wechselseitig, weil auch die Schriftsteller sich sehr bald für den Film interessierten, und wie man aus diesem Buch erfährt, haben die namhaftesten Dichter der damaligen Zeit sich nicht gescheut, an den auf ihren Werken basierenden Drehbüchern mitzuarbeiten oder eigene» Scenarios zu schreiben. Daß es andere gab, die für den Film nur Verachtung empfanden, ist nichts Neues, man kann dieses Phänomen auch heute noch beobachten.

Das Durchblättern — wie auch ein Besuch dieser Ausstellung — wird zur nostalgischen Wanderung in<die für die Jüngeren schon unvorstellbare Welt der zehner und zwanziger Jahre. Wer weiß denn heute noch, wie festlich die Vorführungen zur Stummfilmzeit sein konnten?

Während in den kleinen Kinos ein mehr oder weniger begabter Pianist für die musikalische Untermalung

der Handlung sich mühte, besorgten dies in den Filmpalästen, wo die Premieren liefen, ganze Orchester. Ein besonders interessantes Beispiel ist in dieser Hinsicht der „Rosenkavalier“, dessen Filmfassung 1926 in der Dresdner Staatsoper (!) uraufgeführt wurde. Zu Gerhart Hauptmanns „Rose Bernd“ mit Henny Porten schrieb kein Geringerer als Giuseppe Becce die Filmmusik.

Damit sind die ersten berühmten Namen gefallen. Ein eigenes Kapitel — dem eine Abteilung der Ausstellung entspricht — ist den „Autorenfilmen“ und der „Literatur im Film“ gewidmet. So wurde Arthur Schnitzlers „Liebelei“ schon zur Stumm-filmzeit zweimal auf die Leinwand gebracht (1913 und 1927). Ein Film nach einem anderen Werk von Schnitzler, „Der junge Medardus“, entstand 1923 in Wien, zu einer Zeit, wo diese Stadt noch eine der europäischen Filmmetropolen war, unter der Regie von Michael Kertesz, der später in Hollywood als Michael Curtiz eine glänzende Karriere als Spezialist für Action-Filme machte. „Erdgeist“ (Lulu) von Frank Wedekind wurde schon 1924 verfilmt, und „Die Büchse der Pandora“ folgte 1928, unter der Regie von G. W. Pabst. Der Name dieses österreichischen Regisseurs ist auch in Verbindung mit der „Dreigroschenoper“ unvergeßlich geblieben, allerdings war Bertolt Brecht mit dieser Filmversion bekanntlich gar nicht einverstanden. Darum zog er es vor, 1932 sein eigenes Drehbuch für „Kuhle Wampe“ zu verfassen (Regie: Slatan Dudow).

Thomas Mann hat persönlich an der ersten Verfilmung seiner „Buddenbrooks“ durch Gerbard Lamprecht mitgewirkt. Felix Saiten, der

zusammen mit Arthur Schnitzler eine Zeit als „literarischer Beirat“ der Wiener Vita-Film fungierte, schrieb auch das Drehbuch von „Herztrumpf“ (1920) sowie einiger anderer Filme. Aber sehr wenig bekannt ist auch, daß Hugo von Hofmannsthal 1913 das Kinostück „Das fremde Mädchen“ verfaßte, mit Grete Wiesenthal in der Hauptrolle — das übrigens von Karl Kraus in der „Fackel“ gründlich verrissen wurde!

Es würde zuweit führen, hier alle Schriftsteller, die damals direkt oder indirekt am Entstehen von Filmen mitgearbeitet haben, nennen zu wollen. Interessant ist aber eine Untersuchung, die schon 1913 vom „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ durchgeführt wurde: sie be-

faßte sich mit der Frage „Schädigt die Verfilmung eines Romans den Absatz des Buches?“. Der Romanschriftsteller Paul Scheerbart antwortete damals: „Die Verfilmung von Romanen ist meines Erachtens etwas Barbarisches.“ Eine Formulierung, mit der er in manchen Fällen auch heute noch Recht behielte.

HÄTTE ICH DAS KINO — Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach a. N., herausgegeben von Bernhard Z eil er — Personen- und Filmregister, 16 Bildtafeln, zahlreichen Illustrationen im Text. 444 Seiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung