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Bewegung am Kap

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Am 3. September tritt in Südafrika die neue Verfassung in Kraft. Erstmals gibt es ein Drei-Kammer-Parlament, in dem die Kammer der weißen Bevölkerung freilich mit Abstand die stärkste bleibt.

Immerhin gibt es erstmals auch ein Abgeordnetenhaus der Mischlinge, das am 22. August gewählt worden ist, und ein Delegiertenhaus der Inder, das am 28. August besetzt werden wird.

Weniger interessant als das relative Stärkeverhältnis der Parteien ist das Stärkeverhältnis der Wähler und NichtWähler zueinander.

Die UNO verdammte die Wahlen als Farce, der katholische Erzbischof Denis Hur-ley tat es (mit mehr Gewicht) auch. Die Wahlbeteiligung der Mischlinge (22 Prozent) lieferte erwartungsgemäß Kommentatoren aller Richtungen Material.

Die Boykottverfechter hatten vor allem den fortbestehenden Ausschluß der Schwarzen vom Wahlrecht kritisiert. Die Parteien der Mischlinge und der Inder argumentierten, nur durch eine Teilnahme könne man von innen heraus an weiteren Reformen mitwirken.

Tatsache ist, daß die Szene in Südafrika in Bewegung geraten ist. Ein Kabinettsausschuß berät den Ausbau politischer Rechte für die schwarze Stadtbevölkerung. Ministerpräsident Pieter W. Botha hat versprochen, daß es künftig keine gewaltsamen Umsiedlungen Schwarzer mehr geben würde; seit 1960 waren rund zwei Millionen dazu gezwungen worden.

Mitte 1983 wurde der Bann über 54 mißliebige Personen aufgehoben; seither sind nur noch zwölf Personen dieser unwürdigen Behandlung unterworfen. Ein parlamentarischer Sonderausschuß berät die Abschaffung der Gesetze aus 1948, die Geschlechtsverkehr und Ehe unter Verschiedenrassigen verbieten. Die gesetzliche Diskriminierung am Arbeitsplatz wurde aufgehoben.

Freilich: In der Praxis bestehen noch immer entwürdigende Diskriminierungen weiter. Und gesetzliche im Schulbereich, im Wohnungsund Siedlungswesen und im Wahlrecht auch.

Neu ist, daß das seit 36 Jah-ren herrschende Afrikaner-Establishment erstmals überhaupt Bereitschaft zu Reform und Veränderung auf Verhandlungsbasis zeigt. Im internationalen Bereich ist dies durch spektakuläre Abkommen mit schwarzafrikanischen Nachbarn (die am Rand des wirtschaftlichen Bankrotts stehen) sichtbar geworden.

Die Weißen in Südafrika sind in den letzten Jahren wieder um vieles selbstbewußter geworden. Genau das wäre die Zeit, auch weiser und damit großzügiger zu werden.

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