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Apartheid gerät ins Wanken

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„Die Zeit der Extremisten ist vorbei“, verkündete der südafrikanische Österreich-Botschafter Petrus H. Meyer, als er dieser Tage in Wien die erste Südafrika-Woche in Österreich eröffnete und dabei auf den 2-Milliarden-S chilling- Handel der beiden Länder sowie die über 4000 Touristen aus Österreich verwies, die 1978 die Burenrepublik besuchten. Wie vorbei ist die Zeit der Extremisten wirklich?

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„Die Zeit der Extremisten ist vorbei“, verkündete der südafrikanische Österreich-Botschafter Petrus H. Meyer, als er dieser Tage in Wien die erste Südafrika-Woche in Österreich eröffnete und dabei auf den 2-Milliarden-S chilling- Handel der beiden Länder sowie die über 4000 Touristen aus Österreich verwies, die 1978 die Burenrepublik besuchten. Wie vorbei ist die Zeit der Extremisten wirklich?

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Tatsächlich ist in Südafrika in den letzten Monaten mehr geschehen, als man hierzulande wahrgenommen hat. Pieter Wilhelm Botha, der vor einem Jahr von dem aus Gesundheitsgründen abgetretenen Johannes Balthasar Vorster die Ministerpräsidentschaft übernommen hatte, schlug anfangs Töne an, die ihn rundum als jenen Scharfinacher auswiesen, den man in ihm vermutete. Nun aber scheint es, als hätte er sich damit nur emotionelle Zustimmung möglichst breiter Volksschichten sichern wollen, um mit deren Rückendeckung ein rechtes Reformwerk zu beginnen - so wie es 1958 nur ein de Gaulle sich leisten konnte, allen Erwartungen seiner Anhänger zum Trotz Algerien aufzugeben.

Jedenfalls ist einiges in Bewegung geraten, nachdem auch in den vergangenen Jahren mehr als früher in Jahrzehnten geändert worden war. Um dies in Erinnerung zu rufen:

Die „kleine Apartheid“ (getrennte Parkbänke, getrennte öffentliche Toilettenanlagen, getrennte Autobusse usw.) wurde weitgehend eingeschränkt, Sportorganisationen werden für alle Rassen geöffnet, die kostenfreie Pflichtschule für Mischlinge 1974, für Inder 1975 eingeführt, eigene Universitäten für Mischlinge, Inder und Schwarze errichtet und das System der (für Weiße) „reservierten Arbeitsplätze“ vor allem in der Bauwirtschaft, der Bahnverwaltung und den Kfz.-Betrieben stark durchlöchert. Für die schwarzen Bewohner der Städte wurden erste bescheidene Mitwirkungsrechte statuiert und die Möglichkeit einer 30jäh- rigen Wohnungsmiete eingeführt.

Das alles fand Pieter Botha schon vor, als er das zwölfjährige Vorster- Regime beerbte. Was in den letzten Wochen passiert ist, geht über diese Maßnahmen erheblich hinaus: • Die Regierung hat einen Gutteil der von der sogenannten Wiehahn- Kommission erstatteten Vorschläge für eine Neuordnung des Arbeitsmarktes akzeptiert. Alle schwarzen Bürger sowohl der „Heimatländer“ wie auch der „Weißen Republik“ (also vor allem der Städte) dürfen künftig Gewerkschaften beitreten: die Umkehr einer 50 Jahre lang verfolgten Politik.

• Die Weichen auf eine Verwirklichung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Leistung“ wären damit unwiderruflich gestellt. Bisher stellte die ungleiche Entlohnungspraxis einen der schwersten Verstöße gegen soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde in Südafrika dar.

• In die „kleine Apartheid“ wurde eine weitere Bresche geschlagen: In Zukunft soll jedes Restaurant im ganzen Land den Angehörigen aller Rassen offenstehen, wenn der Besitzer es wünscht und eine entsprechende Genehmigung beantragt - sicher eine noch immer ärgemiserre- gende Einschränkung, die aber kaum eine lange Lebensdauer haben dürfte.

„Wenn es uns recht ist, daß schwarze Menschen uns den Kaffee reichen und auf unsere Kinder aufpassen, können wir mit ihnen auch im selben Restaurant essen oder in derselben Schlange vor dem Post schalter warten“, redete Botha seinen Landsleuten ins Gewissen.

• Schließlich die größte Bombe, wenn auch vorläufig nur rhetorisch deponiert: Wenn man ihm vernünftige Vorschläge für eine Überwindung der Gesetze gegen Mischehen und Sexualverkehr über Rassenschranken hinweg mache, sei er bereit, auch darüber zu reden, verkündete der Ministerpräsident. Bis zu einer Verwirklichung solcher Vorhaben wird es noch harte Debatten geben - aber allein, daß das Wort ausgesprochen ist, war eine Sensation.

Kein Wunder, daß die Wogen hochgehen in der Nationalen Partei. Bei einer Nachwahl hat Botha bereits eine schwere Schlappe einstecken müssen. Beobachter halten es für möglich, daß er sogar eine Parteispaltung riskieren wird. Selbst bei Abfall des extremen rechten Flügels wäre die heute mit 142 gegen 30 Oppositionelle im Kapstadter Weißenparla-

ment vertretene Nationale Partei noch immer stark genug, um dann mit um so größerer Konsequenz ein Reformprogramm, das diesen Namen verdient, zu verwirklichen.

Die stärksten Verbündeten der radikalen „Verkrampten“ („Verkrampften“) sind immer noch weite Teile der Beamtenschaft, der Farmer, eines Großteils der Reformierten Kirche sowie der manuellen weißen Arbeiter.

Zunehmend Unterstützung findet die Reform politik der „Euligte“ („Erleuchteten“) bei Studenten, Akademikern, Diplomaten, Vertretern der katholischen und der anglikanischen Kirche sowie interessanterweise auch beim Militär.

„Die Verteidigung Südafrikas ist zu 80 Prozent politisch und zu 20 Prozent militärisch“, sagte sehr realistisch dieser Tage General Magnus Malan, der Oberbefehlshaber der Streitmächte. Er wird als immer engerer Berater und starke treibende Kraft hinter Pieter Botha vermutet.

Selbst die weißen Universitäten, bisher eine konservative Hauptstütze des Regimes, sind zum Umdenken bereit. „Ich habe schon langę keinen in der akademischen Welt mehr, gefunden, der an die alte Linie voll geglaubt hätte“, sagte jüngst Professor Andre du Toit von der Traditionalistischen Universität von Stellenbosch.

Wenn Pieter Bothas Rechnung aufgeht, wird er die Radikalen in seiner Partei verlieren, viele Freunde in aller Welt jedoch gewinnen, die von der pharisäerhaften Abschreibung jeglicher Weltschuld auf Südafrika angewidert sind, die aber andererseits auch angewidert sind von der pharisäerhaften Verteidigung von Positionen der Weißen, die jeglicher Menschenwürde ins Gesicht schlagen.

Die ganze Situation erinnert damit an die Zeit vor 80 Jahren, als Paul („Ohm“) Krüger dem Oberstrichter des Kaplandes, De Villiers,zu bedenken gab, er könne keine weiteren Konzessionen an seine Feinde mehr anbieten, worauf dieser erwiderte: „Nicht Ihre Feinde, Herr Präsident, sondern Ihre Freunde sollten Sie zu- friedenstellen.“

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