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Gleichwertig, aber getrennt

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Die weiße Minderheit Südafrikas gerät zunehmend in Bedrängnis. Während die Mehrheit der Buren an Rassengesetzen eisern festhält, suchen einige weiße Politiker Gespräch mit den Schwarzen und Mischlingen. Doch dahinter steckt mehr als Verständigungswille: Bei der eventuellen Machtübernahme der Schwarzen will man nicht im „falschen Boot“ sitzen.

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Die weiße Minderheit Südafrikas gerät zunehmend in Bedrängnis. Während die Mehrheit der Buren an Rassengesetzen eisern festhält, suchen einige weiße Politiker Gespräch mit den Schwarzen und Mischlingen. Doch dahinter steckt mehr als Verständigungswille: Bei der eventuellen Machtübernahme der Schwarzen will man nicht im „falschen Boot“ sitzen.

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Wer immer sich mit Südafrika beschäftigt, hat sich unter anderem zwei Dinge vor Augen zu halten: Wenn die Verantwortlichen in Pretoria zu politischen Reden ansetzen, tun sie dies entweder mit Blick auf eine internationale Zuhörerschaft oder aber für die Ohren ihres eigenen Parteianhanges, wobei sie in diesem Zusammenhang namentlich der allgemeinen Stimmung in den Burenhochburgen der Provinz Transvaal Rechnung zu tragen haben. Diese beiden Botschaften weichen mitunter ganz beträchtlich voneinander ab. Und zweitens stellt sich das Problem, daß

man im Schöße der herrschenden Nationalen Partei (NP) auf der einen Seite und im Lager ihrer Gegner und Kritiker sowie außenstehender Beobachter auf der andern unter ein und derselben Sache völlig verschiedene Dinge versteht.

Dies wurde etwa deutlich während der Ereignisse nach der Rede Präsident Pieter Bothas anläßlich der Eröffnung des Kapstädter Parlamentes. Da sprach der Staatschef in konziliantem Ton und ohne Drohgebärden von der Einrichtung neuer politischer Strukturen, um allen Südafrikanern dieselben Chancen und Möglichkeiten in allen Lebensbereichen einzuräumen. Dabei hatte er namentlich etwa Ausbildung und Erziehung im Auge, und er versprach allen Bewohnern des Landes einmal mehr dieselben politischen Rechte in einem einzigen Staat sowie einen Platz am Steuerruder der Nation für Repräsentanten aller Bevölkerungsteile, und zwar in einer Weise, die in Verhandlungen festgelegt würde.

Wie sich dann aber herausstellte, waren die Rede des Staatschefs und die aufwendige Werbekampagne der südafrikanischen Regierung nicht so sehr für einheimische Ohren als vielmehr für ein internationales Publikum bestimmt. Zu versöhnlichen Tönen an diese Adresse sah man sich wohl in erster Linie angesichts der enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten veranlaßt sowie im Hinblick darauf, daß bereits demnächst ein weiteres Treffen zwischen dem südafrikanischen Schuldner und den westlichen Hauptgläubigerbanken stattfinden soll. Dabei werden dann die Umschuldungsvorschläge des in der südafrikanischen Schulden-und Liquiditätskrise vermittelnden Schweizers Fritz Leutwiler erörtert. Was dies alles indessen zu Hause im Klartext zu bedeuten hat, wurde den burischen Wählern während der letzten Tage erklärt.

In diesem Zusammenhang ist namentlich etwa ein Parlamentsauftritt des Erziehungsministers und Chefs der wichtigen Transvaal-Sektion der Nationalen Partei, Francis De Klerk, zu erwähnen. Der dem eher konservativen

Parteiflügel zuzurechnende De Klerk machte in der Kammer klipp und klar, daß bei Erziehung und Ausbildung zwar künftig wohl versucht werden soll, für Schüler und Studenten aus allen Bevölkerungsgruppen dieselben Maßstäbe anzulegen, daß indessen auch weiterhin nicht am Grundsatz strikte getrennter Schulen gerüttelt werde, solange jedenfalls nicht, als die Nationale Partei nicht auf eine radikal neue Linie einschwenke. Ins selbe Horn stieß später auch Präsident Botha selbst, indem er sich öffentlich hinter seinen Erziehungsminister stellte und daran erinnerte, daß in Südafrika allen am ehesten dann gedient sei, wenn die einzelnen Bevölkerungsgruppen soweit wie nur irgendwie möglich ihr Eigenleben führten.

Dagegen wäre eigentlich ja nicht einmal viel einzuwenden. Doch in Südafrika leben die verschiedenen Bevölkerungsteile nicht etwa getrennt, weil sie dies wünschten, sondern weil die weißen Herren der Mehrheit dies so vorschreiben. Einzelne Kritiker der Regierung Präsident Pieter

Bothas hatten den Reformbeteuerungen ohnehin nie so richtig Glauben geschenkt und stets gewarnt, eigentlich habe sich gegenüber früher weit weniger geändert, als man dies landläufig annehme. Sie erklären dazu, daß die Apartheidarchitekten in den fünfziger Jahren nach dem Grundsatz verfahren seien „getrennt, aber gleich und gleichwertig“, währenddem heute gelte „gleich und gleichwertig, aber getrennt“.

Daß man im Schöße der Afri-kaaner-Familie einstweilen erst da und dort und bloß in geringem Umfang allenfalls bereit wäre, diese Bollwerke niederzureißen, hängt mit der Geschichte der Buren zusammen, die in Südafrika erst nach unsäglichen Leiden an die Schalthebel der Macht gelangt sind sowie ferner natürlich damit, daß sie ihr Uberleben nicht in einer weißen, sondern in einer schwarzen Umgebung sicherzustellen haben.

Leute wie Außenminister Roe-lof „Pik“ Botha, sein für die Belange der schwarzen Mehrheit zuständiger Kabinettskollege Gerrit Viljoen sowie eine Gruppe von vielleicht knapp drei Dutzend zumeist jüngeren NP-Abgeordne-ten scheinen der Meinung zu sein, daß die weiße Minderheit gar keine andere Wahl habe, als mit verantwortungsbewußten Vertretern aller andern Bevölkerungsgruppen zusammenzuarbeiten.

Diese Position ist nicht wesentlich von der der oppositionellen „Progressive Federal Party“ (PFP) entfernt, deren Vorsitzender Frederic Van Zyl Slabbert mit seinem Rücktritt aus der Kammer einen beträchtlichen politischen Wirbel verursacht hat. Van Zyl Slabbert begründete seinen Schritt mit seiner Uberzeugung, daß es unter Präsident Pieter Botha an der Reformfront nicht wesentlich über das hinausgehen werde, was bereits erreicht sei, und dies genüge ihm in keiner Weise.

Dahinter versteckt sich natürlich auch die Befürchtung, im Parlament im Hinblick auf die im Urteil von Van Zyl Slabbert unausweichlich eines Tages über das Land niederprasselnden politischen Stürme nicht oder nicht mehr am richtigen Ort zu sitzen.

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