Heinz Kunstmann1, Verkaufsleiter eines Privatbetriebes, regt sich nicht auf. Zwar ist ihm auch der Schock in die Knochen gefahren, als die Aktienkurse weltweit und in Minutenbewegungen rallyeartig ihre Kurven zogen. Aber wirklich überrascht, so sagt er, hätte ihn dieser „big crash“ eigentlich nicht.
Kunstmann, ein eher atypischer heimischer Anleger — er macht sich- seine Wertpapieranalysen selbst — hat schon vor rund einem Jahr begonnen, seinen Aktienbestand zu durchforsten und systematisch abzubauen. Daß er trotzdem zwischen dem 16. und 20. Oktober satte 150.000 Schilling oder 35 Prozent der von-ihm investierten Summe verloren hat, sorgt ihn weniger, „denn in den Monaten vorher habe ich satte Gewinne gemacht“.
Wie bei diesem Aktionär haben die Alarmglocken nicht erst geschrillt, als die Börsen schon krachten. Denn, „vor einem Jahr konnte man zum Beispiel lesen, daß japanische Firmen 50 Prozent ihres Gewinnes nur mehr mit Aktienspekulationen machen. Das ist doch ein Alarmsignal“, analysiert Viktor Gersthofer1, ein 63j ähriger Pensionist, nachträglich seine Überlegungen, bestimmte Aktien vorzeitig abzustoßen.
Auch Doris Bernhuber vom Raiffeiseneffektenklub der Genossenschaftlichen Zentralbank ist mit ihrer Spekulantengruppe schon vor Monaten in eher „sichere“ Aktien geflüchtet.
Bei den meisten professionellen Anlegern konnte man überhaupt den Eindruck gewinnen, daß die Ereignisse der letzten Tage sie nicht besonders aufregen, weil sie eben zum Nervenkitzel des Spekulierens gehören.
„Nicht Geübte und potentielle Börsianer, die bereits Geschmack an den österreichischen Privatisierungsambitionen gefunden haben, die sind wirklich geschockt“, berichtet Michael Margules, Finanzanalyst bei der Girozentrale.
Diese unterschiedlichen Haltungen schlagen sich auch in der Einschätzung der ÖMV-Aktien nieder. Für die Profis hängt ein Kauf eindeutig nur vom Ausgabekurs ab. Die anderen sind eher noch ein Opfer des weltweiten Zitterns und der Meldungen über Milliardenverluste. Sie sind größtenteils unschlüssig, ob sie bei der ÖMV einsteigen werden.
1 Name von der Redaktion geändert
