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Der Gestank soll verduften

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Der nächste Skandal kommt bestimmt - aber Vorsicht mit den Bezeichnungen! Es war ungeziemend, den jüngsten Skandal ,.Fleischskandal” zu nennen, so wurden wir von einem Lebensmittelprüfer im Club 2 aufgeklärt. Es war dies eher so eine Art „Angebotsskandal”.

Ein gelernter Fleischhauer der auch einige Lehrjahre in einem Großmarkt absolviert hatte, erklärte das mit dem Angebot ungefähr so: In einem Supermarkt muß das Angebot ungeheuer üppig sein. Der Kunde soll sozusagen auch im Fleische wühlen können, um das Gefühl einer riesigen Auswahl zu haben. Und die hat er auch: zwischen Verdorbenem und weniger Verdorbenem. Wenn er Glück hat, ertappt er auch Frischfleisch, das, wenn es zu lange liegen bleibt, frisch verpackt oder frisch zusammengeschnitten, mit irgendetwas anderem Frischen als neues Produkt verkauft wird.

So findet der Kunde in der Fülle des Angebots immer einen billigen Leckerbissen, der gesundheitlich sogar verträglich sein kann, wenn er ihn nur sorgfältig kocht oder brät. Das ist natürlich, ebenso wie der Begriff „Fleischskandal”, überspitzt formuliert.

Einen Exzeß der Undifferenziertheit leistete sich diesfalls Franz Floss, der als Grüner vermerkte, der nicht vorhandene Fleischskandal habe darin bestanden, daß „Verdorbenes in

Mist verpackt” angeboten worden sei. Es ist offensichtlich, daß mit solchen krassen Formulierungen nur eines bewirkt wird: die Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Verpackungsindustrie.

Mit panischer Sorge beobachtete der Moderator Josef Broukal in dem erwähnten Club 2, wie ein Diskussionsteilnehmer ständig mit irgendwelchen Produkten aus dem Supermarkt vor den neugierigen Kamera-Augen hantierte. Broukals mühsam kaschierte Nervosität war berechtigt: angenommen, die Firmenmarke wäre kurz sichtbar geworden, er wäre sofort der Nichtverhinderung von Schleichwerbung bezichtigt worden. Und das im ORF! Geradezu verhängnisvoll aber wäre es gewesen, wenn es sich um eine Firma gehandelt hätte, die erstaunlicherweise nicht in den Angebotsskandal verwickelt war. Hier hätte es sich dann um das schwerwiegende Delikt des unlauteren Wettbewerbs gehandelt.

Eine biedere Wirtin aus Tirol faßte alles in den Wunsch zusammen, derlei Dinge doch künftig „intern” zu behandeln. Österreich sei schließlich ein Tourismus-Land. Na eben. Und weil uns der Gast heilig ist, und weil der Gast nicht beunruhigt werden darf, liegt der Skandal nicht darin, daß verdorbenes Fleisch verkauft wird, sondern daß diese Tatsache publik gemacht wird. Gestank soll sozusagen intern zum Verduften gebracht werden.

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