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Die Eltern ehren

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Das vierte Gebot ist uns in zwei Fassungen überliefert. Die erste im Buch ,J2xodus“: ,JZh.re deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (Exodus 20X2). Die zweite Fassung stammt aus der Zeit des Exils, wo Israel das verheißene Land verloren hatte: ,£hre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gutgeht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (Deuterono-mium 5J.6).

Auffällig ist in beiden Fassungen, daß Vater und Mutter gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Mutter soll ebenso geehrt werden wie der Vater; eine Forderung, die im kulturellen Umfeld der Bibel keineswegs selbstverständlich ist.

Vater und Mutter sollen „geehrt werden“. ,JEinen Menschen ,ehren' ist etwas Konkretes, nämlich den ihm zukommenden Platz in der Gemeinschaft zuerkennen. Auf das Elterngebot angewendet, heißt dies: die maßgebende Stellung, die die Eltern in der Gemeinschaft haben, anerkennen“ (Helen Schüngel-Straumann). Das Gegenteil von „ehren“, ist Vater und Mutter geringachten, ihnen fluchen, sie schlagen, sie verächtlich behandeln.

Was ist nun der 'ursprüngliche Sinn des vierten Gebotes? Das vierte Gebot hat zunächst einen sozialethischen Sinn. Die erwachsenen Söhne und Töchter sollen für die altgewordenen Eltern Vorsorge treffen. ,JJas Gebot wendet sich also zunächst gar nicht an die Ohnmächtigen, damit sie den Mächtigen gehorchen, sondern vielmehr an die Mächtigen, damit sie die alten, schwach gewordenen Eltern nicht auf die Seite schieben“ (Adolf Exeler).

Die erwachsenen Kinder sollen Sorge tragen für das wirtschaftliche und menschliche Wohlergehen der Eltern. Dem entspricht auch die Mahnung im Buch Jesus Sirach: „Mein Sohn, nimm dich deines Vaters im Alter an und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft“ (Sirach 3J2).

Das vierte Gebot hat aber noch einen zweiten Sinn, der im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Eltern sind verantwortlich für die Weitergabe der • Uberlieferung. Ihre Aufgabe ist es, den Gotteswillen zu lehren und auf seine Einhaltung zu dringen. Die Eltern sind zu achten und zu ehren, weil sie die Träger der religiösen Tradition sind. So wird dieses Gebot auch ein Gebot an die Eltern, tatsächlich ihre Aufgabe zu erfüllen und diese Tradition ihren Kindern weiterzugeben.

15. Teil einer Serie zur Lebensrelevanz der Zehn Gebote.

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