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Die Religion und der Zirkus

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Nein - hier geht es nicht um jene schlechte Zirkusvorstellung, die die Religion oft gibt, wenn sie längst zur puren Kirchenpolitik degeneriert ist. Mit Zirkus assoziiere man gefälligst eine positive Inszenierung, letztlich jene, die man auf Grund wissenschaftlicher Arbeit in Jerusalemer Priesterkreisen „Schöpfung” zu nennen pflegt; eine Vorstellung, von der Gott selbst recht begeistert war: Religion verfremdet, daß ihr die Faszination erhalten bleibt - glänzend und glitzernd, Lichter in allen Regenbogenfarben, Temperament und Sensibilität. Eine Welt, von der die großen und die kleinen Kinder träumen.

Hier finden die biblischen Wunder jeden Abend statt. Da gibt es Menschen, denen man ansieht, daß sie Gott nach seinem Bild geschaffen hat: denn sie springen, schlagen Räder, machen dreifache Saltos, fliegen durch die Luft wie die Vögel und machen wahnwitzige Jongleurkunststücke. Artisten, also Menschen sportlich begabt wie die Engel, der Mensch ein potentieller Artist?

Menschen und Tiere agieren im Zirkus friedlich nebeneinander wie im Paradies und in der Arche. Hunde verstehen die Menschen. Menschen verstehen Löwen und Tiger. Daniel und Daniela in der Löwengrube?

„Freiheit” heißt eine Pferdenummer. Es ist kein Zufall, daß eine Schweizerin diese Nummer vorführt: eine „calvinistische Zirkusnummer”! Religion und Freiheit gehören zusammen. Wer Menschen dressiert, ist ein Ketzer. Die Pferde tanzen den Exodus, und die Zuschauer spüren die Verlockung. Im Zirkus treten Menschen aus aller Welt in einer Manege auf. Hier gehört jeder dazu. Keiner wird ausgeschlossen, weil er so ist, wie er ist. Riesen und Liliputaner sind Partner.

Aber auch der Zirkus ist keine heile Welt. Clowns - in einem verrückt verfremdeten Priestergewand - spielen den Menschen ganz ungeniert deren Sünden vor: „Schaut nur her, so seid ihr!” Und die Zuschauer lachen „herzlich”, weil sie noch nicht wissen, daß sie gemeint sind. Ein indirektes Sündenbekenntnis?

Oder frei nach Jesus: Wer über sich selbst lachen kann, dem wird vergeben. Tempo, Rhythmus, Tschinderassa und Trara -da geht es eben zu wie im Zirkus, und doch ein harmonisches Drunter und Drüber. Hier ist die Welt so bunt, wie sie sich der Schöpfer vorgestellt hat. Droben, überm Zirkuszelt muß ein gütiger Vater thronen.

Vielleicht ist er sogar ein „allerhöchster Zirkusdirektor”, und die Welt eine „riesige Zirkusvorstellung”. Und die Engel applaudieren begeistert, wenn der „Chef seine Menschen und Tiere vorführt.

Wer schwach ist im Glauben, sollte die ATA 93 in der Wiener Stadthalle besuchen.

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