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Haiti wird zum Testfall

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Die Vorgänge um Haiti, wo ein vom Volk gewählter Präsident, Jean-Bertrand Aristide, von Uniformträgern gestürzt worden ist, entscheiden über die Zukunft der Demokratie in Lateinamerika. Gelingt es, Haitis Armee durch Entwicklungshilfestop und Boykottmaßnahmen wieder in die Kasernen zurückzudrängen, könnte Lateinamerika die neunziger Jahre ohne weiteren Militärputsch durchstehen. Bleibt der Coup d' Etat in Port-au-Prin-ce folgenlos, wissen die Militärs, daß sie wieder ungestraft in die Politik eingreifen dürfen.

Der militärische Staatsstreich gehört in Lateinamerika, wo die Uniformträger nie wirklich ihre Funktion definieren konnten, zum Alltag. Besonders krass agierten die Offiziere während der Phase des Kalten Krieges, während der Washington undemokratisches Agieren tolerierte, sofern die militärischen oder auch zivilen Diktatoren verläßlich antikommunistisch auftraten. So konnte zum Beispiel der Duvalier-Clan Haiti zwischen 1957 und 1986 bis auf den letzten Gourd auspressen, weil Vater und Sohn Duvalier, aus Washington wohlwollend betrachtet, überall „Kommunisten" jagten.

Doch inzwischen gibt es keU nen Kalten Krieg mehr, und die Bush-Administration verficht gegenüber der gesamten Dritten Welt ein kohärentes Demokratie-Konzept. Die Europäischen Gemeinschaften sind zum Mitziehen mehr als bereit. Haiti soll die Botschaft ausposaunen: Wer in Lateinamerika putscht, wird von allen Finanzhilfen abgeschnitten. Da ein ausgepowertes Haiti praktisch von Entwicklungshilfe lebt, bedeuten die eingefrorenen Hilfskonten in den USA, in Kanada, Frankreich und Brüssel (zusammen an die 140 Millionen Dollar) für die haitianischen Offiziere, denen zudem die Militärhilfe zwischen den Fingern zerrinnt, wirtschaftlich die Sackgasse. Kurz: Der Militärputsch erweist sich als Verlustgeschäft.

Hält die von den USA angeführte internationale Staatengemeinschaft gegenüber Haiti kompromißlos eine solche Boykott- und Quarantänepolitik durch, kommen die Militärs nicht weit. Und in ganz Lateinamerika würden die Uniformträger begreifen, daß ein Putsch sich nicht mehr lohnt.

Initiiert wurde diese noble Politik Anfang des Jahres im Fall Surinams, wo die Anführer des militärischen Weihnachtsputsches von Holland, von wo aus das Defizitland finanziert wird, isoliert wurden, aus Geldmangel klein beigaben und rasch wieder Wahlen ausschrieben, sodaß zumindest formaliter erneut verfassungsrechtliche Zustände herrschen.

Jetzt gilt es, aus dieser experimentellen Haltung eine politische Doktrin zu schmieden. Sowohl der Bush-Administration als auch der Organisation Amerikanischer Staaten, zwei Schlüssel-Akteure in der Haiti-Affäre, würde dies historischen Ruhm einbringen.

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