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IM PARK INS THEATER

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Im Park lesen, stricken oder plaudern - das kann man überall. In Wien kann man aber auch alljährlich im Frühsommer im Park ins Theater gehen.

Im Mai und Juni dieses Jahres gab die türkisch-österreichische Theatergruppe Iodo das Stück „Die Trommel" oder „Die Hochzeit" (im Original: „Dügün ya da davul") zum Besten. Veranstaltungsorte waren stark frequentierte Plätze und eben Parks.

„Das Ziel war, das Theater an die Leute heranzutragen, die sonst nicht ins Theater gehen", erklärt Kemal Boztepe, der Dramaturg der Gruppe.

Leute, die sonst nicht ins Theater gehen - damit sind nicht zuletzt auch Ausländer gemeint. Gibt es bei den Österreichern schon genug Schwellenängste, ein Theater zu betreten, kommen bei den Ausländern jedenfalls noch sprachliche Barrieren dazu. Bei der „Trommel" ist das genau umgekehrt:

Das Stück wird in türkischer Sprache aufgeführt, und eine Art Übersetzer, der in die Spielhandlung eingebaut ist, mischt sich von Zeit zu Zeit ein, faßt zusammen und macht die Sache so auch für des Türkischen nicht Kundige verständlich.

„Es kamen auch Zuschauerreaktionen, daß mehr deutsche Erklärungen besser gewesen wären", erzählt Kemal Boztepe. Für nicht wenige Österreicher war es wohl ein irritierendes Erlebnis, daß die türkischen Zuschauer immer wieder in lautes Gelächter ausbrachen und sie selbst so gar nichts davon verstanden. Normalerweise ist es ja umgekehrt.

Dem Verständnis des Stückes schadet das viele Türkisch aber kaum. In der Tradition des „Spiels der Mitte",

der türkischen Commedia deH'arte, lebt es sehr stark von Akrobatik und komischer Gestik und Mimik. Und diese Mittel wirken bekanntlich auch ohne Sprache.

Die Gruppe Iodo will ihr Publikum aber nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch zum Nachdenken. Am Leben der Gastarbeiter in Wien wird dabei ebenso Kritik geübt wie an den türkischen Verhältnissen. Etwa wenn

ein Großgrundbesitzer auf der Bühne meint, sich alles erlauben zu können. Nur weil er Geld hat.

„Wir wollen keine politischen Linien vorgeben", sagt Boztepe, „wir wollen die Zuschauer anregen, daß sie Fragen stellen." Und sie wollen zeigen, daß die Türken nicht unbedingt so sind, wie das Klischee es will.

„Wir wollen weg vom Folklorismus und Exotismus, Dö-ner Kebab und so fort", erklärt Boztepe, „in Österreich gibt es ja auch nicht nur Jodeln." Dazu ist es natürlich auch notwendig, daß die Österreicher etwas von der türkischen Kultur kennenlernen.

Wieviel (beziehungsweise wie wenig) Möglichkeit dazu besteht, weiß wohl jeder aus eigener Erfahrung. Um diesem Vakuum ein wenig zu begegnen, organisiert das Team von Iodo in diesem Herbst Begegnungen zwischen österreichischen und türkischen Schriftstellern.

Das Stück „Die Trommel" wird es möglicherweise nächstes Frühjahr in Wien wieder zu sehen geben. Ebenfalls im Gespräch ist eine Österreichtournee. Wo es die Gruppe Iodo genau hinverschlagen wird, das steht noch in den Sternen. Sicher jedenfalls in irgendwelche Parks.

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