Die Contras wollen zunächst einmal weiterkämpfen, die Sandinisten wollen „von unten" weiter regieren und die neuen Machthaber wissennoch nicht genau, wie sie ihre Macht eigentlich ausüben sollen: Nikaragua nach den Wahlen.
Revolutionäre stellen sich einer demokratischen Wahl und liefern sich damit der Gefahr aus, eine mit Waffen und Blut erkämpfte Macht per Stimmzettel wieder zu verlieren. Das ist in Nikaragua geschehen. Die Wahlen fanden, wie schon einmal, unter der Kontrolle ausländischer Beobachter statt. Diesmal bestand freilich kein Grund, von Wahlschwindel zu reden, denn es gewann die Opposition.
Violeta Chamorro vereinte unter ihrem traditionsreichen Namen vierzehn politische Gruppen mit sehr verschiedenen Interessen und Programmen, die nun auch gemeinsam regieren müssen.
Das Land steckt in einer tiefen Krise: wirtschaftlich, aber auch geistig. In den letzten Jahren haben die Sandinisten immer mehr Sympathie bei der Bevölkerung verloren. Der Krieg gegen die von Amerika unterstützten Contras zermürbte das Land, die Inflation galoppierte davon, das Volk leidet Not, und die Unzufriedenheit wuchs. Mit antiamerikanischen Appellen allein konnten die Sandinisten nicht mehr gute Stimmung für sich machen. Es war auch merkwürdig, daß Daniel Ortega nicht mehr seinem Nimbus als Revolutionär vertraute, sondern sich eine amerikanische Werbefirma holte, die für ihn den Wahlkampfstil ausarbeitete. Die Oppositionsvereinigung UNO wiederum konnte mit massiver Finanzhilfe aus den USA ihren Wahlkampf führen.
Die Sandinisten geben ihre Macht nicht so leicht ab. Vor allem die sandinistische Volksarmee bleibt ein Faktor. In dem kleinen Land mit seiner Zwei-Millionen-Bevölkerung gehen die politischen Fronten quer durch die Familien.
Violeta Chamorro, die Herausgeberin der Oppositionszeitung „La Prensa" hat zum Beispiel einen Sohn, der Chefredakteur des sandinistischen Kampfblattes „Barricada" ist, eine Tochter wirkt für die Sandinisten als Diplomatin, und der älteste Sohn arbeitete im Exil für die Contras. Tochter Cristina wiederum leitet jetzt „La Prensa". In einem Gespräch sagte sie mir einmal, ihr Elternhaus sei immer „voll von Politik und Liebe" gewesen, sie habe Respekt vor ihren Brüdern und Schwestern, die auf der anderen Seite stünden: „Ich hasse die Sandinisten nicht, ich bekämpfe aber ihre Politik."
Das könnte eine Basis für die Lösung von Spannungen sein -vor allem dann, wenn das Land endlich aus der Polarisierung der Ost-West-Konfrontation gezogen wird.