Die Bischöfe Lateinamerikas wollten nur für ihre Länder, zu ihren Menschen (und deren politischen Vertretern) sprechen. Aber gewisse Grundsätze, die Lehren des Evangeliums können nicht auf ein Land, auch nicht auf einen Kontinent beschränkt bleiben, auch wenn die praktische Ausformung von Ort zu Ort verschieden sein kann.
Die Bischöfe sprachen von der Aufgabe der Kirche, politische Strukturen von innen her umzugestalten, um die Achtung vor der menschlichen Würde zu fördern. Die Kirche verpflichte sich, die Rechte des einzelnen in der Gesellschaft zu verteidigen. Aber sie sagten ebenso entschieden nein, diese Befreiung des Menschen durch Gewaltanwendung, durch Terror und Guerillatätigkeit erreichen zu wollen.
Für die lateinamerikanischen Bischöfe ist die Armut das „Gegenteil des Evangeliums“, für sie ist es die erste Aufgabe, „Mechanismen, die die Armut erzeugen, anzuprangern“.
In Europa, wo es keine Armut in
den Größenordnungen von Lateinamerika mehr gibt, sind*es andere Bereiche, in denen die Kirche mit dem Hinweis auf das Evangelium ihre Stimme erheben muß. Wo sie bemüht sein muß, „politische Strukturen von innen her umzugestalten“. Hier sind es etwa die Komplexe Abtreibung, Eherecht, Erziehung, wo sich die Wege trennen.
In Spanien haben die Bischöfe ihre Meinung kundgetan, welche Kriterien sie für die bevorstehende Wahlentscheidung für wichtig erachten. In Österreich ist ein solcher Schritt nicht zu erwarten. Aber Kirche - das sind nicht nur Bischöfe, nicht nur „politisierende Pfarrer“. Kirche sind wir alle, denen das Evangelium mehr bedeutet als ein Parteiprogramm.
Wenn Christen in Wahlzeiten laut aussprechen, daß gewisse politische Tendenzen den Grundsätzen des Evangeliums zuwiderlaufen, sind sie noch lange keine Steigbügelhalter der jeweils gegnerischen Partei. Sie entsprechen nur der Linie von Puebla. Auch in Österreich.
