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Priester in die Kirchen! Laien in die Politik!

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Johannes Paul II. in Lateinamerika: Sein Auftreten in Santo Domingo, in Mexiko-Stadt und bei Eröffnung der Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas in Puebla hat Millionen 'Menschen auf die Beine und noch mehr vor die Fernsehschirme gebracht. Die farbigen Details dieser Reise sind auch den FURCHE-Lesern aus Radio, TV und Tageszeitungen bekannt. Deshalb bringen wir im folgenden vor allem das, was vom Papst gesagt und von den meisten anderen Medien nur recht kurzywiedergegeben worden ist.

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Johannes Paul II. in Lateinamerika: Sein Auftreten in Santo Domingo, in Mexiko-Stadt und bei Eröffnung der Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas in Puebla hat Millionen 'Menschen auf die Beine und noch mehr vor die Fernsehschirme gebracht. Die farbigen Details dieser Reise sind auch den FURCHE-Lesern aus Radio, TV und Tageszeitungen bekannt. Deshalb bringen wir im folgenden vor allem das, was vom Papst gesagt und von den meisten anderen Medien nur recht kurzywiedergegeben worden ist.

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Papst Johannes Paul II. hat in der Nacht auf Montag (MEZ) in der mexikanischen Provinzstadt Puebla die bis 12. Februar anberaumte III. Generalversammlung der lateinamerikanischen Episkopats (CELAM) eröffnet. Nach einer Messe, die auf den geräumigen Sportfeldern des Seminars von rund 300.000 Menschen mitgefeiert wurde und bei der der Papst die Staaten Lateinamerikas zu einer „klugen, wagemutigen und ausdauernden Familienpolitik“ aufgerufen hatte, hielt er im Sitzungssaal der Konferenz im Priesterseminar von Puebla seine programmatische Ansprache.

Er erteilte darin allen Ideologen eine klare Absage und distanzierte sich gleichzeitig von den heutigen politischen Blöcken. Die Kirche wolle sich „allein für den Menschen“ einsetzen und müsse deswegen Distanz zu jedem politischen System bewahren. Nur die kirchliche Soziallehre gehe von der Einzigartigkeit jedes Menschen aus. Sie verteidige die Unverletzlichkeit seiner persönlichen Würde und biete so die Voraussetzung der „wahren Befreiung des Menschen“.

„Achtet den Menschen!“ fordert Johannes Paul II. in seiner fast einstündigen Botschaft, mit der er der Puebla-Konferenz eine rein religiöse Ausrichtung gab. Er forderte die katholischen Bischöfe der 22 lateinamerikanischen Länder auf, „die uneingeschränkte Wahrheit über Gott, über die Kirche und über den Menschen“ zu bekräftigen.

Christliche Sozialmoral setzt nach den Worten des Papstes gerade in und für Lateinamerika „zwingende Forderungen“, namentlich nach gerechter und gleichmäßiger Verteilung der materiellen wie ideellen Güter. Johannes Paul II. nannte ausdrücklich „die schwierige Frage des Eigentums“ und bekräftigte die von Paul VI. so klar formulierte Lehre der Kirche, nach der auf allem Privateigentum „eine soziale Hypothek“ liege.

In diesem Zusammenhang warnte Johannes Paul II. vor .jeder Zuflucht zur Gewalt“ und verurteilte entsprechende „Neuinterpretationen“ des Evangeliums. Christus sei „kein Politiker, Revolutionär und Umstürzler“, auch nicht nur ein „einfacher Prophet“, sondern menschgewordener Sohn Gottes. „Mit tiefempfundener und mutiger läberzeugungskraft“ müßten gerade die Bischöfe Lateinamerikas solchen „Verwirrungsversuchen“ entgegentreten.

Der in Lateinamerika weit verbreiteten „Theologie der Befreiung“ und noch mehr dem ausufernden Sektenwesen stellte der Papst als Hauptaufgabe der Bischöfe entgegen, über

die Reinheit der kirchlichen Lehre zu wachen.

Ohne eine gut fundierte Ekklesio-logie (Lehre von der Kirche) „ist eine ernste und entschiedene Ausbreitung und Verwirklichung des Evangeliums unmöglich“, führte er aus. In dem „Mißtrauen gegenüber der sogenannten institutionellen Kirche“, den Versuchen einer Gegenüberstellung von „Amtskirche“ und „Volkskirche“ sieht Johannes Paul II. „bekannte ideologische Vorurteile“.

Als vorrangige Aufgabe nannte der Papst den lateinamerikanischen Bischöfen anschließend die Familien-pastoral („Die Evangelisierung wird künftig großteils von der Hauskirche abhängen“), das entschiedene Bemühen um geistliche Berufe und die Jugendseelsorge.

Medellin bleibt „Ausgangspunkt“

Bei einem Empfang für das Diplomatische Corps in der Apostolischen Delegatur in Mexico City hatte der Papst am Samstag die diplomatischen Vertreter und die Staatsmänner der Welt eindringlich zu einem noch entschiedeneren Einsatz für Frieden und Verständigung aufgerufen.

Schließlich bekundete der Papst seine Sorge über die „wachsende Anzahl der Flüchtlinge“ in der ganzen Welt. Insbesondere wies er auf die „tragische Lage“ der Flüchtlinge in Südostasien hin.

Einer der Höhepunkte des Papstbesuches in Mexiko war ein feierlicher Gottesdienst im mexikanischen Nationalheiligtum „Nuestra Senora de Guadelupe“ am Stadtrand von Mexico City.

Wie Johannes Paul II. in seiner Ansprache dort betonte, erwarte er von der Puebla-Konferenz eine Uberprüfung des bisher Erreichten und eine entscheidende Weiterentwicklung der Kirche in Lateinamerika. Die Beschlüsse der letzten Konferenz des la-

teinamerikanischen Episkopats in Medellin (Kolumbien) 1968 bezeichnete er ausdrücklich als „Ausgangspunkt“ der jetzigen Beratungen. Er stellte jedoch klar, daß die Bischöfe „nicht so sehr deswegen zusammengekommen sind, um nach zehn Jahren das gleiche Problem noch einmal zu behandeln, sondern eher, um es auf eine neue Weise, an einem neuen Ort und in einem neuen historischen Zusammenhang zu überprüfen“.

„Wir versuchen, auf der Basis der Erfahrung dieser zehn Jahre und der Entwicklung des Denkens sowie im Licht der Erfahrungen der ganzen Kirche einen richtigen und notwendigen Schritt nach vorne zu tun“, sagte der Papst. Die Konferenz von Medellin „mit ihrem mutigen Einsatz für die vollständige Befreiung der Menschen und Völker“ war „ein Ruf der Hoffnung auf christlichere und menschlichere Ziele hin“. Im Verlauf der folgenden zehn Jahre seien jedoch Interpretationen „von zuweilen gegensätzlicher, nicht immer richtiger und für die Kirche brauchbarer Art“ zustandegekommen. Deswegen suche die Kirche jetzt in Puebla nach neuen Wegen.

Nach dem Gottesdienst traf sich der Papst mit mexikanischen Priestern und Ordensleuten in der Basilika und appellierte dabei an diese, sich aus der politischen Auseinandersetzung herauszuhalten. Er erinnerte an seine Ausführungen im November in Rom an Ordensobere, bei denen er diese ersucht hatte, keinem „gesellschaftspolitischen Radikalismus“ nachzugehen.

„Ihr seid geistliche Führer die versuchen, den Herzen der Gläubigen die Richtung zu weisen und sie zu stärken“, sagte der Papst. „Ihr seid Priester und nicht gesellschaftlicher Führer, Politiker oder Angestellte einer weltlichen Macht. Vergeßt nicht, daß weltliche Macht leicht zu einer Quelle der Zwietracht werden kann, während der Priester ein Zeichen und ein Faktor der Eintracht, der Brüderlichkeit sein muß.“ Es sei Sache der Laien, „zeitliche Dinge“ aus christlicher Haltung heraus zu verbessern.

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