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Pulverfaß Quebec

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An dem Tag, an dem Kanadas Post Office den vor einem Jahr von Terroristen ermordeten Arbeitsminister Pierre Laporte durch Herausgabe einer Gedächtnismarke (Auflage 25,000.000 Stück) ehrte, veröffentlichte Professor Gilles des Rochers (Universität Montreal) eine Studie, in der festgestellt wurde, daß 20 Prozent der Einwohner von Quebec in Armut leben. Wieder erinnert man sich der Voraussage des Dominikanerpriesters Bernard Lambert, der nach der Terroristenkrise des Vorjahres in Montreals „Le Devoir“ geschrieben hatte: „Mehr als Gefängnisse, Notstandsgesetze und Waffengewalt ist notwendig, um in Quebec den Frieden herzustellen.“

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An dem Tag, an dem Kanadas Post Office den vor einem Jahr von Terroristen ermordeten Arbeitsminister Pierre Laporte durch Herausgabe einer Gedächtnismarke (Auflage 25,000.000 Stück) ehrte, veröffentlichte Professor Gilles des Rochers (Universität Montreal) eine Studie, in der festgestellt wurde, daß 20 Prozent der Einwohner von Quebec in Armut leben. Wieder erinnert man sich der Voraussage des Dominikanerpriesters Bernard Lambert, der nach der Terroristenkrise des Vorjahres in Montreals „Le Devoir“ geschrieben hatte: „Mehr als Gefängnisse, Notstandsgesetze und Waffengewalt ist notwendig, um in Quebec den Frieden herzustellen.“

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Die politische Lage in der Belle Province de Quebec hat auch — so Premierminister Robert Bourassa — zu einem Absinken der Investitionen geführt. Bourassa hatte vor den Aprilwahlen des Jahres 1970 erklärt, daß er 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen werde, doch die Montrealer Presse weist darauf hin, „daß diese Dividende nicht gezahlt wurde". Heute ist die Arbeitslosigkeit in der größten Provinz des zweitgrößten Landes der Erde ein brennenderes Problem als vorher; in Gebieten wie Mont Laurier (nördlich von Montreal) ist die Zahl der Stellenlosen auf mehr als 20 Prozent gestiegen.

Heute treten prominente Abgeordnete — Pierre de Bane von der liberalen Regierungspartei und der Konservative Martial Asselin unter ihnen — in Ottawa dafür ein, Quebec das Recht der Sezession von Kanada zu konzedieren, wenn dies auf demokratische Weise geschieht. Auch Streiks sind ein Spiegel der Lage in Quebec. Dem Streik der Gendarmerie von Quebec folgte ein Streik der Montrealer Feuerwehr; anderseits sah die Montrealer Polizei von einer Arbeitsniederlegung (wie vor zwei Jahren) ab, da sie den „Nervenkrieg“ gegen die Behörden vorher gewinnen konnte.

Nachdem ein kurz vorher entlas sener frankokanadischer Angestellter in Montreal drei Manager von Du Font of Canada erschoß, übernahm Robert Lemieux — der prominenteste Anwalt der Separatisten — die Verteidigung des Mörders. Eine Montrealer Zeitung berichtete darüber mit Überschriften wie: „Ein anderes Drama der Arbeitslosigkeit . ,. Verbittert ermordete er seine drei Chefs … Sein Anwalt Robert Lemieux bewundert ihn …“

Der bekannte Montrealer Soziologe Professor Marcel Rioux erklärte einem Reporter, wie erstaunt er über die Reaktion seiner Freunde sei: „Sie sehen in dem Fall ein Symbol. Da ist der amerikanische Konzern mit einer Tochtergesellschaft in Quebec. Keine Gewerkschaftsvertretung; die Manager vorwiegend Anglokanadier, die Subalternen hauptsächlich Frankokanadier…"

Die Massendemonstration in Montreal, anläßlich der Jährung der Proklamation des Kriegsrechtes während der Oktoberkrise, führte auch zur Verletzung von Polizisten. Die Alarmpolizei — mit weißen Stahlhelmen und hohen Stiefeln — und motorisierte Einheiten sorgten für Ruhe und Ordnung.

Reporter Tom Hazlitt blickte auf die Demonstranten und fragte sich, wie es wohl bei Beginn der Französischen und russischen Revolution gewesen sein mochte…

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