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Die franzosische Insel

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In der größten Provinz des zweitgrößten Landes der Erde beweisen Polls wieder die steigende Popularität des separatistischen Parti Quebecois. Die PQ — von dem früheren liberalen Minister Rene Levesque geführt — strebt den Abfall von Kanada und die Ausrufung der Republik Quebec an.

Quebec hat eine Bevölkerung von 6,153.000 und ist so groß wie Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen. Bis heute ist die Belle Province, über der einst das Lilienbanner von Frankreich und Navarra wehte, eine „französische Insel“ in Nordamerika geblieben. Über 80 Prozent der Quebeker haben Französisch als Muttersprache, doch mit der Eroberung von Quebec-City durch die von General Wolfe geführten britischen Streitkräfte endete die französische Herrschaft — in einer mondlosen Nacht, am 13. September 1759.

Vor einigen Jahren zertrümmerten Separatisten das Monument des Generals Wolfe auf dem historischen Schlachtfeld Abraham-Plains in Quebec-City. Das neue Denkmal hatte nicht mehr die Aufschrift: „Hier starb Wolfe, siegreich, am 13. September 1759.“ Das Wort „siegreich“ schien nicht mehr auf... Bald nachher ließ die Ermordung des Quebeker Arbeitsministers Pierre Laporte durch separatistische Terroristen die Welt aufhorchen. Damals erinnerten sich Freunde des schwarzen Humors an den „Scherz“: Worin liegt der Unterschied zwischen Amerika und Kanada? Die Amerikaner hatten ihren Bürgerkrieg bereits im vergangenen Jahrhundert.

In dem Versuch, den Separatisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat Robert Bourassa, Quebecs junger liberaler Premier, engere Bande mit Frankreich angeknüpft. Heute ist es seine Ambition, „Quebec zu einem französischen Staat innerhalb der kanadischen Wirtschaftsgemeinschaft“ zu machen. In einer Rede in Montreal hat Premierminister Pierre Trudeau dieses Argument seines Parteifreundes Bourassa auf dramatische Weise zertrümmert. Trudeau wies darauf hin, daß Quebec nicht zu den reichen Provinzen der Nation Kanada gehöre und aus der Staatskasse im Vorjahr 1200 Millionen Dollar als „equaliza-tion payments“ (Ausgleichszahlungen) erhalten habe, die aus den Steuergeldern anderer Provinzen kamen.

Die wachsende Popularität der Separatisten und eine Reihe von Skandalen schwächen Premier Robert Bourassas Position. In einer ganzseitigen Reportage hat der liberale „Toronto-Star“ die Korruption in Quebec gebrandmarkt und behauptet: „Eine endlos scheinende Serie von Skandalen schwächt die Glaubwürdigkeit von Premier Bourassas liberaler Regierung.“ Ein massiver Angriff von Montreals „La Presse“, Quebecs größter Zeitung, folgte. In einem sensationellen Leitartikel auf der Titelseite erwähnte der Verleger Roger Lemelin das „Klima der Unsicherheit“ in Quebec und bemerkte, daß Premier Bourassa sich wie ein Marketing-Manager und nicht wie ein Staatsmann verhalte. Lemelin ist ein Freund von Premierminister Trudeau.

Premier Robert Bourassas hübsche Gattin Andree entstammt der Industriellenfamilie Simard. Der Premier hat ihren Bruder Claude Simard zum Tourismusminister ernannt. Sechs Ministerien gaben der Firma Paragon-Business-Forms in einem Jahr Aufträge in der Höhe von 252.000 Dollar. Andree Bourassa und ihr Bruder, Minister Claude Simard, sind Mitbesitzer von Paragon-Business-Forms. Was an die Worte der amerikanischen Journalistin Miriam Chapin erinnert: In Quebec nimmt man es als selbstverständlich an, daß sich ein Mann mit Politik beschäftigt, weil er damit Geld verdienen will.

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