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Treichl und Bernstein

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Das Aufgreifen des Themas

„Verteilungsgerechtigkeit“ verdiente Applaus, wäre es nicht wenige Wochen vor einer Wahl und unter Umständen erfolgt, die an der Lauterkeit des Anliegens zweifeln lassen. Ginge es ihm um mehr als einen Wahlgag, hätte sich Bruno Kreisky nicht ein Untersuchungssubjekt wählen dürfen, dessen Gage die Regierung letztlich selbst bestimmt hat.

Daß der Regierungschef kurz vor den Wahlen ausgerechnet auf einen Banker verfallen ist, hegt erstens sicher daran, daß CA-Generaldirek-tor Heinrich Treichl es gewagt hatte, auf eine Kritik des Sonnenkönigs zu replizieren; zweitens, daß sich Bankdirektoren als Buhmänner immer schon hervorragend geeignet haben; und drittens kann man bei dieser Gelegenheit auch gleich den Oppositionsführer vernadern, der ja einstens auch als Bankier eine Spitzengage bezog.

Wenn sich Kreisky bei einem Generaldirektor fragt, ob man ein Jahreseinkommen von drei Millionen Schilling überhaupt noch durch Leistung moralisch rechtfertigen kann, müßte er sich rechtens auch fragen, ob beispielsweise sein Freund Leonard Bernstein die Gage verdient, die ihm die Staatsoper bietet, damit er den Taktstock in die Hand nimmt. Oder ob Giorgio Strehlers Leistung wirklich um Millionen größer ist als die eines Regisseurs an einem Landestheater. Kreisky müßte sich um so mehr fragen, als in all diesen Fällen Steuergelder zur Bestreitung der Superga-gen herangezogen werden.

Kreisky wird diese Frage sicher nicht stellen. Über die Gage von Künstlern die Nase zu rümpfen, gilt schließlich als kleinkariert und reaktionär. Das Einkommen von Managern und Unternehmern zur Diskussion zu stellen, gilt hingegen seit jeher als sozialistisch.

Ohne damit den Spitzenbanker Heinrich Treichl mit dem Musikgenie Leonard Bernstein vergleichen zu wollen; und ohne damit die Höhe seiner Bezüge rechtfertigen zu wollen: So wie Bernstein nur dirigiert, Nurejew nur tanzt und Placido Domingo nur singt, wenn man ihn nach seinem Marktwert bezahlt, werden - ob einem das nun paßt oder nicht - Spitzenmanager auf Dauer nur in Österreich arbeiten, wenn sie hier annähernd das bekommen, was man ihnen auch anderswo bietet.

So wenig dem Problem der Verteilungsgerechtigkeit mit einer gesetzlichen Begrenzung der Einkommen ä la Konecny beizukommen ist, so wenig lassen sich die Ungleichheiten mit einer Verschärfung der Progression bei der Einkommensteuer aus der Welt schaffen.

Solange die Betroffenen 'nicht aus sozialer Verantwortung heraus bereit sind, für weniger Geld die gleiche Leistung zu erbringen, gibt es in einer freien Gesellschaft nur eine Alternative, wenn man ihre Forderungen für nicht gerechtfertigt hält: Auf ihre Dienste zu verzichten.

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