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Typisch (Gesamt)Deutsch?

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In diesen Tagen wird in Bielefeld ein Videowettbewerb entschieden. Wer zum zeitlosen Thema „Typisch Deutsch" etwas gleichermaßen Aktuelles wie Aufregendes mit der Kamera einfangen konnte, dem winken große Anerkennung und kleine Preise.

Natürlich gibt es eine hochkarätig besetzte Jury. Hoffentlich weiß sie genau, was „typisch Deutsch" ist. Sie erwartet jedenfalls, so erfuhr man vorab, jede Menge Kritisches zur deutschen Vereinigung. Da hätten wir ja schon etwas typisch Deutsches: Bedeutend kann in diesen Tagen dem Deutschen nur sein, was „kritisch infrage gestellt", sprach-

lich noch schlimmer, was „kritisch hinterfragt" wird. Der typische Deutsche, zumindest der, der öffentlich wahrgenommen wird, hat füglich mit dem Bestehenden unzufrieden zu sein. Während dereinst der typische Deutsche treu zu Thron und Altar, sodann zu Volk und Führer stand und sich von niemandem davon abbringen ließ, so läßt der neue Gesamtdeutsche kein gutes Haar „an denen da oben", wer immer auch grade „da oben" ist.

Während früher in jedem Deutschen ein kleiner Preuße wohnte, der stramm gehorchen wollte, sitzt nunmehr in jedem neuen und alten Bundesbürger ein Frankfurter Soziologe, und der will kritisieren.

Oder ist's doch die Faustische Umatur, die in unseren Zeiten, spät, aber doch, in den siebzig Millionen zwischen Frankfurt am Main und Frankfurt an der Oder zum Vorschein kommt?

Das für die Nicht-Deutschen Typische an den Deutschen liegt nach wie vor in ihrer Tüchtigkeit, auch an ihrer Redlichkeit wird nicht gezweifelt. Geschätzt und geachtet werden sie weltweit, zu Zuneigung und Liebe reicht es seltener.

Vielleicht deshalb sind die erfolgreichen Deutschen in der letzten Zeit so empfindlich, ja wehleidig geworden.

Eines sind sie auf jeden Fall geblieben: blauäugig. Und deshalb haben sie ihren neuen Freunden

im Osten auch gleich mehrere Millionen versprochen, damit sie die aus den neuen fünf deutschen Bundesländern abgezogenen Soldaten auch standesgemäß unterbringen können. Und deshalb sind sie auch davon ausgegangen, daß die Bauherren im Kreml die lukrativen Bauaufträge auch nach Deutschland vergeben werden. Die aber denken neuerdings äußerst marktwirtschaftlich und ließen sich daher auch Konkurrenzangebote aus der Türkei und Finnland kommen.

So wie es jetzt aussieht, werden die Türken und die Finnen bauen, die Russen wohnen und die Deutschen zahlen. Typisch Deutsch?!

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