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Warum zählen Techniker mehr als Soziologen?

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Das „ifz”, das Interdisziplinäre Forschungszentrum für Technik, Naturwissenschaft und Gesellschaft, feierte seinen einjährigen Bestand; aus diesem Anlaß sprach einer der bedeutendsten Entwicklungssoziologen, Prof. Norbert Elias von der Universität Bielefeld, zum Thema „Der Beitrag wissenschaftlicher Establishments zur Produktion von Wissen” vergangene Woche im Palais Palffy in Wien.

Auf der Basis von Seminaren und Vorträgen, Forschungsaufträgen und eigenen Projekten versucht das „ifz” seit Mai 1979, das Gespräch zwischen den einzelnen Wissenschaftssparten nicht verstummen zu lassen und interdisziplinäre Kontakte anzuregen. Auch mit der zweimonatlich erscheinenden ifz-Zeitschrift „Technik kontrovers” bietet sich ein Forum an, das von den einzelnen Wissenschaftern zum „Zusammenreden” genützt werden kann.

Wie Prof. Elias betonte, sei es eine komplizierte Sache, eine wissenschaftliche Gesprächsplattform zu schaffen: Abgesehen davon, daß jede Disziplin ihren eigenen Begriffskodex benützt, so ist die Ausbildung einer Hierarchie, einer Machtskala, zwischen den Wissenschaften einem gemeinsamen Vorgehen nicht gerade förderlich.

So ist es zum Beispiel bestens bekannt, daß naturwissenschaftliche Fächer ein höheres Mitspracherecht für sich beanspruchen als die „Menachen-Wissenschaften”, dies zeigt sich schon unter den Studenten: Im gesellschaftlichen Leben auf der Universität „zählt ein Technikstudent mehr als ein Soziologe”; darin liegt unter anderem die Wissenschaftshierarchie bereits begründet.

Das „ifz” sieht eine Aufgabe darin,

Menschen mit den verschiedensten Wissenschaftskodizes und von unterschiedlichen hierarchischem Wissenschaftsrang an einen Tisch zu bringen. Zweck der Zusammenkünfte soll sein, ein öffentliches Bewußtsein für die Notwendigkeit von wissenschaftlicher Arbeit zu schaffen und öffentliches Verständnis zu gewinnen.

Laut Bericht des Förderungsfonds für gewerbliche Wirtschaft haben sich die Ausgaben für industrielle und gewerbliche Forschung von 1,644 Milliarden (1970) auf 5,569 im Jahre 1978 erhöht. Im ersten Moment erscheinen diese Zahlen ungeheuer hoch, doch man muß sie im Zusammenhang mit dem übrigen Staatshaushalt sehen: 5,569 Milliarden sind 0,66 Prozent des Bruttonationalprodukts.

Was das öffentliche Bewußtsein betrifft, so geht es aber dabei nicht allein um Finanzierungsfragen, sondern auch um die Richtigkeit von Forschungsmethoden z. B. der Kompetenzfrage physikalischer Messungen in den Humanwissenschaften, worauf auch Prof. Elias hingewiesen haben wollte: Wieweit, so fragt er, haben z. B. Physiker den Anspruch, Modelle für andere Wissenschaften zu setzen, wieweit sind zur realistischen Orientierung der Menschen Wissenschaften überhaupt Kausalzusammenhänge notwendig oder nicht doch ganz andere Dimensionen?

Eines darf bei der Diskussion um die konkreten Wissenschaften nicht unbeachtet gelassen werden, nämlich daß das „ifz” neben der Kompetenz- und der Hierarchie-Problematik der Wissenschaften nicht auf die hautnahe Aufbereitung technischer Probleme vergessen und nicht übersehen sollte, daß wissenschaftliche Streitfragen nicht nur den Wissenschafter und die Macher der „hard technology” treffen, sondern auch kleine Betriebsräte. Die Technisierung unseres Alltags, die Phantasie-losigkeit bei unserer Freizeitgestaltung und der Leistungsdruck sind vielleicht das letzte Glied in der Kette, die die Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten der Wissenschafter untereinander auslöst...

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