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Wege des Friedens

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Als vor Jahren der österreichische Pazifist Stefan Matzen-berger (im März 1986 gestorben) das Buch „Von der Friedensethik zur Friedenspolitik“ herausbrachte, ging es ihm darum, Brük-ken zwischen Friedenstheorie und Friedenspraxis zu schlagen. Will heißen, daß Friede nur durch politisches Handeln erreicht werden kann. Jetzt liegt ein Band des Grazer katholischen Sozialethikers Valentin Zsifkovits vor, „Ethik des Friedens“, der - vom Titel her -wieder sehr stark in den theoretischen Bereich zu gehen scheint. Doch der Schein trügt.

Zsifkovits hat sich als Ethiker den Blick für realpolitische Gegebenheiten und Möglichkeiten bewahrt und ein Buch geschrieben, das Friedensideen, Wege und Bedingungen zu diesem Ziel zur Deckung bringen will.

Schon im Vorwort läßt der Autor keinen Zweifel an der Wirklichkeitsorientierung seiner Friedensethik aufkommen. Er lehnt jede „lähmende Entrüstungsethik“ ab, will aber „aus emotionaler und existentieller Betroffenheit heraus rational begründete, geduldig zu beschreitende, auf eine umfassende Strategie ausgerichtete Schritte und Wege zur Sicherung und Förderung des Friedens aufzeigen, wozu eine entsprechende Analyse der Ursachen des Unfriedens gehört“.

Zsifkovits wendet sich gegen eine „Handstreich-Ethik“, eine Gesinnung, die Frieden in einem „Handstreich“ revolutionärer oder sonstiger Art herbeiführen möchte. Der Sozialethiker nimmt eine globale Ablehnung des Krieges und ein universales Bekenntnis zum Frieden an, kann aber das Paradoxon von nuklearer Bedrohung und Friede durch Angst ethisch nicht auflösen. Das gelingt - wie Zsifkovits ausführlich darlegt - heute auch der katholischen Friedensethik nicht, die zwar den totalen Krieg verurteilt, für nukleare Abschreckung aber kein absolutes Verbot kennt.

Zsifkovits: „Sie (die katholische Ethik) hat dabei aber vor allem die Schwierigkeit, einen eventuellen Einsatz von Kernwaffen mit dem für die moralische Beurteilung fundamentalen Prinzip der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen, im Falle eines absoluten Verbots eines solchen Einsatzes bleibt die schwer zu lösende Aufgabe, die nukleare Abschreckung und den Besitz von Kernwaffen als noch sinnvoll zu erklären und zu rechtfertigen.“ Eben! Warum noch Atomwaffen und ein hohes Niveau konventioneller Rüstung, wenn Friede heute ein, nicht zuletzt wegen der Bedrohungssituation, so allgemein anerkannter Wert sein soll? Sollte die sowjetische Ethik mit ihren klaren Alternativen - vereinfachend: Höchstrüstung führt zum Atomtod aller, nukleare Abrüstung ist ein Schritt zum Uberleben aller - die dem westlich-politischen Denken so verhaftete katholische Ethik bereits überholt haben?

Zsifkovits meint, daß ein Friedensbekenntnis allein nicht genüge - und hat recht damit. Friede auf Dauer ist nur, wie Zsifkovits fordert, durch eine „umfassende Friedensstrategie“ zu erreichen. Und mit seinem Friedensbegriff— Friede als Prozeß abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit, also endlich einmal Abschied von diesen jämmerlichen Endzustandshypothesen des Alles oder Nichts eines manichäi-schen Rigorismus — beschreitet der Grazer Ethiker den vielseitigen und vielschichtigen, verästelten Weg des Friedens (nicht „zum“ Frieden!).

Die Uberwindung des Krieges ist eine der ersten Forderungen in dem vorliegenden Band. Dazu sei die Beseitigung beziehungsweise die Entschärfung der Kriegsursachen auf allen Ebenen erforderlich. Zsifkovits plädiert des weiteren für eine humane, gewaltlose Konfliktregelung und eine gerechte, dynamische Freiheitsordnung. Schließlich werde Friede in einer umfassenden Erziehung zum Frieden grundgelegt.

Der Autor, der sich schon seit Jahren mit Problemen des Friedens beschäftigt und zahlreiche Artikel zu diesem Thema in Fach-

Zeitschriften veröffentlicht hat, ist der Ansicht, daß Wege zum Frieden von allen Menschen gegangen werden müssen. Niemand habe demnach Anspruch auf Verwirklichung ausschließlich seines Friedens. Das ist in Richtung Friedensbewegung gesagt, hat aber auch Gültigkeit für die hohe Politik. Liegt doch in der Verabsolutierung der eigenen Wahrheit ein Grund für die Errichtung von Feindbüdern.

„Gerade im Interesse des Friedens ist es wichtig, die Wahrheit in ihrer Allgemeingültigkeit zu suchen und sich einer adäquaten Erfassung der Seinswirklichkeit zu nähern.“ Ein Plädoyer für die These vom Frieden als Dialogprozeß (FURCHE 27 /1987) - ohne ausdrücklich den Dialog zu nennen.

Mit Zsifkovits* „Ethik des Friedens“ und Otto Kimminichs „Umweltschutz — Prüfstein der Rechtsstaatlichkeit“ startet der oberösterreichische Veritas-Verlag die Reihe „Soziale Perspektiven“, als deren Herausgeber die beiden genannten Autoren und Alfred Klose (dessen „Unternehmerethik“ im Frühjahr 1988 folgen soll) fungieren. Die neue Reihe - der Initiative Fritz Müllers vom Veritas-Verlag zu verdanken — will in verständlicher Art Antworten auf drängende Fragen der Menschen suchen und finden.

ETHIK DES FRIEDENS. Von Valentin Zsifkovits. Verlag Veritas, Linz 1987.224 Seiten, öS 198,-.

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