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Abwesend

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Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse war die tschechische Belletristik eigentlich abwesend. Die ausgestellten Bücher von Pavliček, Hrubin, Kliment, Fried und einigen anderen vermochten nämlich die erstaunliche Breitenwirkung der tschechischen Literatur der letzten Jahre kaum anzudeuten. Die wesentlichsten Bücher, die in der letzten Zeit in Prag und Preßburg noch herauskommen können, fehlten. Die politische Salamitaktik, wie sie von den Sowjets seit dem August 1968 praktiziert wird, zeitigte nun auch in der Verlagspoli tik der ČSSR die ersten negativen Ergebnisse. In den Editionsplänen der einzelnen Verlage für 1969 sind zwar viele „progressive“ Autoren angekündigt, doch dürfte beispielsweise die geplante dritte Auflage des bedeutenden Romans „Das Beil“ von Ludvik Vaculik, der erst kürzlich — und nicht zum erstenmal — aus der Partei ausgeschlossen wurde, nicht mehr erscheinen.

Immerhin hat sich die Zensur in den tschechischen und slowakischen Verlagen am längsten zurückgehalten; noch im Frühjahr dieses Jahres konnte ja Pasternaks „Schiwago“ in der Slowakei erscheinen. Viele tschechische Autoren, die zur Buchmesse nach Frankfurt kommen wollten, wunden von den rigorosen Reisebeschränkungen der Prager Regierung buchstäblich über Nacht betroffen. Pavel Kohout dagegen, der immer den richtigen Riecher für die Nega- tivexplosionen seiner — nun ehemaligen — Parteigenossen zu haben scheint (auch er wurde inzwischen wie Vaculik und Liehm aus der KP gefeuert), hielt sich gerade in Mannheim auf, wo er im nächsten Jahr erstmals sein Stück „August August, August“ inszenieren wird. Die Buchausgabe dieses Stückes, die anfangs auf der Buchmesse auslag, war später dann nicht mehr vorhanden; „gestohlen“, wie es hieß. Fragt sich nur, von wem.

Der tschechische Bücherstand glänzte also mit Abwesenheit — von Autoren und Büchern. Immerhin war von dem Philosophen Machovec noch ein Buch über T. G. Masaryk zu sehen. Doch auch die Trostpflaster dieser recht traurigen Bücherschau blieben, was sie sind: billige Illusionen, der bittere Nachgeschmack auf die im Vorjahr „realisierte Utopie“.

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