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„Rote Poesietage“

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Der Monat März ist in der CSSR der traditionelle „Buchmonat“, bereichert durch „Tage der Poesie“, in denen die Literaturproduktion präsentiert, analysiert und parteiamtlich bewertet wird. Heuer, am Vorabend des 15. Parteikongresses, wurde der politische Charakter aller Verlagsprogramme forciert. Je engagierter der Autor, um so sicherer der finanzielle und gesellschaftliche Erfolg! Prag und Preßburg waren die natürlichen Zentren der Literaturfestivitäten.

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Der Monat März ist in der CSSR der traditionelle „Buchmonat“, bereichert durch „Tage der Poesie“, in denen die Literaturproduktion präsentiert, analysiert und parteiamtlich bewertet wird. Heuer, am Vorabend des 15. Parteikongresses, wurde der politische Charakter aller Verlagsprogramme forciert. Je engagierter der Autor, um so sicherer der finanzielle und gesellschaftliche Erfolg! Prag und Preßburg waren die natürlichen Zentren der Literaturfestivitäten.

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Die „Tage der Poesie“ wurden diesmal im Josef-Kajetan-Tyl-Thea-ter zu Pilsen gestartet. Das ministerielle und parteiamtliche Literatur-komando war vollzählig erschienen, da gleichzeitig auch der 55. Gründungstag der KP literarisch gefeiert Werden sollte.

Die jährliche Buchproduktion In tschechischen Landen ist auch gegenwärtig respektabel. 4200 Werke erscheinen in 350 Millionen Exemplaren! Neuerscheinungen werden auf Buchausstellungen vorgeführt. Auffallend war die große Zahl der Kinderbücher: Offenbar will man die politische Erziehung der neuen Generation intensivieren. Einer der diesjährigen Leitgedanken war es, dem „westlichen Irrglauben und der Propaganda tschechoslowakischer Literaturdeserteure und Polltemi-granten“, deren Zahl hoch ist, entgegenzuwirken und zu beweisen, daß die Tschechoslowakei keine „Kulturwüste“ ist. Ein anderes Leitmotiv für 1976 war es, die Kooperation der Literatur in Sowjeteuropa zu betonen.

Die Literaturzeitschrift „Romboid“ gab in der ersten Nummer dieses Jahres unumwunden zu, daß die politische Verpflichtung Maßstab für die Veröffentlichung neuer Werke sei. Trotz Helinski müsse der ideologische Kampf zwischen der kapitalistischen und der sozialistischen Welt mit literarischen Mitteln, sowohl in der Lyrik, als auch in Romanen, intensiviert werden. Die Ideologien seien „unversöhnlich“, deshalb werde denn auch wesentlich mehr politische Literatur publiziert.

In der Zeitschrift des Pravda-Ver-lagshauses, genannt „Buchernte“, waren die Neuerscheinungen aufgezählt. Katarina Lajciakovä gab dazu in Preßburg einen Kommentar. Außer politischen Titeln erschien heuer auch eine politisch gefärbte Memoirenserie, deren letzter Band die Kriegserinnerungen des Sowjetgenerals Schtemenko unter dem Titel: „Pracoval Som v Generalnom

Stabe“ (Ich arbeitete im Generalstab) enthielt.

Das amtliche Organ der Buchhändler, „Nove Knihy“, das wöchentlich sowohl in der tschechischen wie in der slowakischen Hauptstadt erscheint, orientiert ebenfalls ausführlich über die Neuerscheinungen. Unter den „Veröffentlichten Büchern“ werden da neun tschechische, ein slowakisches und drei ungarische Werke der schönen Literatur erwähnt Unter den tschechischen Ausgaben figuriert der dritte Teil des lyrischen Prosawerkes „Zeme Zamy-slenä“ (Das Land der Träumer) von Ladislav Stehlik, außerdem „Stesti, Noc a Hvezdy“ (Glück, Nacht und Sterne) von Eduard Petiäka, ein engagierter Roman über das vergangene Vierteljahrhundert in der Perspektive einer Kleinstadt; ferner eine romanhafte Biographie des Co-menius von MUoä Vaclav Kratoch-vil und eine Anthologie der Schriften des Außenministers Bohumil Chnoupek, bescheiden „Milniky“ (Meilensteine) genannt. Schließlich auch eine Geheimdienststory von F. Farek über den Nachrichtendienst der Benes-Aera vor der Okkupation. Alles weitere waren Übersetzungen.

In der Kategorie „Vorbereitete Bücher“ findet man 18 belletristische Titel: 12 tschechische, 4 slowakische und 2 ungarische, aber keine deutschen. Hier fiel eine Anthologie der poetischen Arbeiten des fast unbekannten südböhmischen Dichters Josef Bartuäka auf. Außerdem gehörten dazu: eine Neuauflage der Gedichtbände des größten lebenden tschechischen Poeten, Vladimir Holan, unter dem Titel „Tenkrat“ (In jenen Tagen ...); ferner „Eva“ von Vaclav Rons, sowie „Poema Ostrava“ von Lydie Romanska.

Überhaupt dominierten die Lyrikbände. So wurde eine 44seitige Gedichtsammlung des vollkommen unbekannten Poeten Alois Hulka unter dem Titel „Uz Roste Slunce“ (Die Sonne ist bereits im Wachsen) publi-

ziert Unter den angezeigten slowakischen Büchern findet sich kein einziges neues Werk, es handelt sich um lauter Übersetzungen und Neuauflagen.

Die zahlenmäßige Höhe der einzelnen Auflagen ist sehr verschieden. Gedichtsbände von Hons und Hulka erschienen in nur 500 bis 1000 Exemplaren, Holans Sammlung in 3300 Stücken, die Neuauflage des im Jahre 1928 verstorbenen slowakischen Schriftstellers Martin Kukucin wurde in 20.000 Exemplaren gedruckt, der politische engagierte Roman des Emil Malacka hingegen nur in 3000 Exemplaren.

An der Spitze der politischen Bücher steht „Sjezdy Kommunisticke Strany Ceikoslovenska“ (Die KPTschKongresse), mit informativen Photokopien von historischer Bedeutung, als „Loseblätterbuch“ in einem Schuzumschlag.

Anläßlich des „Buchmpnats“ w,aren kritische Stimmen über die Situation der staatlichen Verlagshäuser zu vernehmen. Der Direktor des Verlagshauses für Technische Literatur, Jindrich Sucharda, wies darauf hin, daß der Mangel an qualifizierten Schriftsetzern die Veröffentlichung der wissenschaftlich-technischen Literatur erschwere. Die Leiterin der Buchhandlungskette „Ceska Kniha“ in Pressburg, Zuzana Grellkovä, beklagte sich darüber, daß die Auslieferungsschlüssel der Neuerscheinungen für sie so unvorteilhaft sei, daß man dem Käufer die verlangten Bände oft nicht auf den Tisch legen könne. .

Der „Buchmonat 1976“ war zweifellos „politischer“ als alle vorangegangenen.

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