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Kafkas Eckermann starb

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In diese; ersten Frühlingstagen hat man ihn zu Grabe getragen, und nur kurze Notizen berichteten in tschechischen Blättern über seinen Tod. Warum? Gustav Janouch, Franz Kafkas Eckermann, war der letzte österreichische Buchautor und Schriftsteller in Prag. Sein Vater war ein Tscheche, seine Mutter eine Südsteiermärkerin, und Gustav Janouch, vor 65 Jahren in Prag geboren, war infolge der k. k. Schulerzielung ein Österreicher, der perfekt Deutsch und Tschechisch schrieb und sprach. Und er, der die ganze Prager Boheme kannte, der Tscheche war, hat seine Bücher nur in deutscher Sprache erscheinen lassen.

Seine Aufzeichnungen der Gespräche mit Franz Kafka sind bekannt. Gustavs Vater war Franz Kafkas Vorgesetzter in der Arbeiterunfallversicherungsanstalt auf dem Porte Nr. 7 Dort saß Franz Kafka und wartete auf Milenas Briefe aus Wien, während gegenüber, vor dem Stundenhotel „Zum goldenen Fasan“, Mädchen patrouillierten. Gustav kam und holte Franz Kafka zu Spaziergängen ab, denn Gustavs Familienleben war sehr traurig — Unstimmigkeiten zu Hause, die bis zum Selbstmord des Vaters führten. So hatte sich Gustav an den viel älteren Kafka angeschlossen, der froh war, einen Schüler, der zugleich auch sein Vertrauter wurde, gefunden zu haben. Vor drei Jahren hat Gustav Janouch in einem in Wien erschienenen Bildband „Franz Kafka und seine Welt“ die altösterreichische Umwelt Kafkas geschildert. Auch das Buch „Prager Begegnungen“, 1959 in Leipzig erschienen, schildert diese Atmosphäre.

Gustav Janouch war ein äußerst talentierter Musiker, der viele Jahre als Barmusiker sein Leben fristete. Hier kam er mit der Prager Künstlerwelt in Berührung, er kannte sie alle, von E. E. Kisch bis zum Schwejk-Autor Hašek, den Jazzkomponisten Ježek vom „Befreiten Theater“, den Anarchisten S. K. Neumann, der als Revölutionsschriftsteller zu höchsten Ehren gelangte. Gustav Janouch, der in seinem Äußeren sehr an Roda-Roda erinnerte, blieb in seiner Vaterstadt im Hintergrund. Deutschschreibend, altösterreichisch erzogen, wurde er weder geehrt noch ausgezeichnet, trotzdem er seine Vaterstadt immer von neuem verherrlichte, aber „Nemo profeta in sua patria“, und so ist Gustav Janouch still heimgegangen.

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