Erdogan wird und soll bleiben

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Unter Afroamerikanern findet gerade die Debatte statt, ob der schwarze Präsidentschaftskandidat Barack Obama schwarz genug ist - nicht äußerlich, seine Hautfarbe wird trotz weißer Mutter akzeptiert. Die Diskussion kreist vielmehr um das Thema, ob der Eliteschulen-Absolvent auch genug über das Leben der schwarzen Unterschicht in den USA mitbekommen hat, um ein würdiger Vertreter der "Black Community" zu sein. Diejenigen, die für Obama Parte ergreifen, sagen: Er ist beides, er ist schwarz und weiß, und das ist auch nötig, um Weiß und Schwarz in den USA tatsächlich zu versöhnen.

In der Türkei wird die gleiche Hopp-oder-Drop-Debatte um die Person des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan geführt: Ist er genug laizistisch oder ist er zuviel islamistisch? Und wie bei Obama gilt auch für Erdogan beides: Er ist islamistisch und laizistisch zugleich. Erdogan kann auf beiden Klaviaturen spielen, und einen solchen Politiker braucht die Türkei heute, wie sie einst Atatürk gebraucht hat.

Der Verdacht, Erdogan sei ein islamistischer Wolf im demokratischen Schafspelz, hat sich bisher durch nichts erhärten lassen. Im Gegenteil, sein EU-Annäherungskurs, den er der Türkei verschrieben hat, weist in die andere Richtung. Er warte ab, kommentieren das Erdogans Kritiker, er baue seine Macht noch aus, dann erst werde er zuschlagen und aus der Republik einen Gottesstaat machen. Okay, Misstrauen gegenüber dem politischen Gegner ist in Ordnung, im Fall von Erdogans Gegnern schaut es aber schon nach Vorurteilen aus, an denen krampfhaft festgehalten wird.

Was nicht Erdogans herrischen und selbstherrlichen Regierungsstil entschuldigt und alle seine Politiken sakrosankt erklärt. Doch im Vergleich zu den anderen Kandidaten ist der türkische Premier die beste Wahl - für die Türkei und für die EU.

wolfgang.machreich@furche.at

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