Es wird mir irgendwie gut tun

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Als Schülerin betete ich vor der Mathematik-Klausur, Gott möge mir beistehen und, wenn möglich, eine gute Note bescheren. Schon damals war mir bewusst, dass nach gängiger schulischer Selektionslogik nie die ganze Klasse gute Noten bekommt, ich also Gott gegen meine Mitschülerinnen und Leidensgenossen in Anspruch nahm. Ich betete trotzdem für meinen persönlichen Erfolg. Es tat mir irgendwie gut.

Es folgten Jahre beißenden Spotts gegen fromme Heuchler, die sonntags vom UMFASSENDEN EINEN HERRN säuseln und werktags mit einem archaischen Stammesgott hantieren.

Heute bete ich, wenn ich ins Flugzeug steige, Gott möge bitte nicht gerade dieses abstürzen lassen. Und dann lasse ich das DU-unser-im-Himmel folgen: "DEIN Reich komme, DEIN Wille geschehe!“ Und dabei denke ich meistens an Jesus im Garten Getsemane: "GOTT, Ursprung, von dem ich herkomme, DIR ist alles möglich. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch es geschehe nicht, was ich will, sondern was DU willst.“ (Mk 14,36, Bibel in gerechter Sprache).

Nach Werner Tiki Küstenmacher und Ken Wilber sollte ich jetzt wohl stolz sein, dass ich "spirituell gewachsen“ bin. "An diesen Gott können Sie nicht mehr glauben? Glückwunsch! Ihr Bewusstsein hat sich weiterentwickelt!“ steht in einem Werbetext für den Bestseller "Gott 9.0“. Bin ich also unterwegs hinauf zum Gipfel der Gotteserkenntnis, von dem aus ich dann mitleidig schauen werde auf die Dummen da unten, die für den Sieg der eigenen Mannschaft beten?

Morgen werde ich, so DAS LEBENDIGE will, wieder einmal ein Flugzeug besteigen. Es soll mich ins Land der vielen Namen bringen: Kanaan-Israel-Palästina-Terra Sancta ... Wieder werde ich beten, Gott möge bitte nicht gerade diesen El Al-Flieger abstürzen lassen. Es wird mir irgendwie gut tun.

* Die Autorin ist Schriftstellerin u. evang. Theologin in der Schweiz

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