"Militär setzte den Willen des Volkes um“

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Der in Wien lebende Ismail Ramadan betreibt eines der größten arabische Nachrichtenportale im europäischen Raum. Um die 20.000 verfolgen täglich seine Seite ramadan2.com. Im Interview mit der FURCHE gibt er Einsicht in sein Denken.

Die Furche: Ganz allgemein gefragt, was sind Ihre Gedanken zur derzeitigen Situation in Ägypten?

Ismail Ramadan: Meiner Meinung nach ist die Situation äußerst schlecht, ja geradezu furchterregend. Damit meine ich die Intervention des Militärs und den Tod von Zivilisten, aber auch Demonstrationen, die manchmal terroristische Züge tragen. Was in Sinai etwa passiert ist, das war klarer Terrorismus.

Die Furche: Von wem geht dieser Terror aus?

Ramadan: Von Gruppierungen, die den Muslimbrüdern nahestehen und jihadistischen Gruppierungen im Sinai. Zwischen den Muslimbrüdern und diesen Gruppierungen gibt es Kontakte. Diese stammen vor allem von Zeiten der Mobilisierung für Mursi, da wurden Kontakte gepflegt.

Die Furche: Üben Muslimbrüder selbst Terror aus?

Ramadan: Nein. Wie ich denke, sind es nahestehende Gruppierungen, auf die jedoch die Muslimbrüder sehr wohl starken Einfluss haben. Den Beweis dafür liefert Muhammad El Baltagi, einer der Führungskräfte der Muslimbrüder, der zu Zeiten Mursis für die Strukturierung der Organisation des Innenministeriums beauftragt war. Während der Rabia-Proteste sagte er, dass, wenn Mursi und seine Institutionen wieder eingesetzt werden, er also wieder Staatspräsident wird, die terroristischen Aktionen im selben Moment aufhören werden.

Die Furche: Also herrscht derzeit Terrorismus in Ägypten?

Ramadan: Ja, vonseiten der Protestierenden zum Teil, aber auch Sicherheitskräfte gehen repressiv vor. Das Vorgehen des Militärs würde ich als hart bezeichnen, was natürlich auch bedenklich ist. Andererseits setzte das Militär nach den Krisen und Protesten im Juni den Willen des Volkes um. Natürlich muss es da die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet wahren.

Die Furche: Was waren die Krisen, an denen schließlich das System Mursi kollabiert ist?

Ramadan: Es gab keinen Strom, selbst in Kairo, kein Benzin, Nahrungsknappheit, auch die Sicherheitslage war fatal. So kam es zu den Aufständen und der Machtergreifung der Militärs am 30. Juni. Ich sehe, was andere Militärputsch nennen als Korrektiv zur Revolution vom 15. Jänner. Denn die ursprüngliche Revolution wurde nicht gemacht, um allein die Muslimbrüder an die Macht zu bringen. Sondern für die Frei-heit und Würde des gesamten ägyptischen Volks. Es ist Faktum, dass Mursi nicht unabhängiger Präsident war, sondern der Repräsentant der Muslimbrüder. Posten wurden nach Zugehörigkeit zur Bewegung der Muslimbrüder und nicht nach Qualitäten verteilt. Es gab eine Ichwanisierung (Ichwan auf Arabisch die Muslimbrüder) des Staates. (ab)

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