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Die Bevölkerungsbewegung im Nachkriegs-Deutsdiland

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Einige unlängst im Europaarchiv veröffentlichte Zahlen über die Bevölkerungsbewegung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands lassen einen Überblick über die gesamtdeutsche Entwicklung zu, die, wie nach allen bisher erhältlichen inoffiziellen Berichten nicht anders zu erwarten war, durch die Ostzonenzahlen stark negativ beeinflußt wird.

Geht man auch nicht so weit, in den Heiratsziffern ein unverfälschtes Konjunkturbarometer -zu sehen, so wird man zweifellos in der unterschiedlichen Heiratshäufigkeit eine gewisse Beurteilung der gegenwärtigen und der zu erwartenden zukünftigen wirtschaftlichen und sozialen Lage durch wichtige Bevölkerungsteile erkennen müssen. Freilich darf man hiebei nicht übersehen, daß die Heiratshäufigkeit nicht nur vom subjektiven Heirats willen, sondern auch von den objektiven demographischen Gegebenheiten, Altersaufbau und Geschlechtsverhältnis, bestimmt wird. Und hierin liegen die Verhältnisse in der Ostzone besonders ungünstig: 1939 kamen dort auf 100 Männer rund 95, 1946 dagegen rund 210 Frauen in den wichtigen Altersjahren 20 bis 40 in den Westzonen 1946 „nur“ 170, Frauen. Im Altersaufbau ist die Ostzone den Westzonen gegenüber geringfügig benachteiligt: die Verschiebung ihres Altersaufbaus von den mittleren zu den älteren Jahrgängen spiegelt gewiß den Wanderungsverlust der Ostzone wider, denn zur „Wanderung“ — um diesen offiziellen, hier wohl euphemistischen Ausdruck zu gebrauchen — sind naturgemäß die mittleren Jahrgänge besser disponiert als die älterin. Die nachstehende Tabelle gibt die Altersgliederung nach der Volkszählung von 1946 für die wichtigsten Altersgruppen an:

Mag diese Altersgliederung, die sich inzwischen stärker zuungunsten der Ostzone verschoben haben dürfte, auch die Ostzone hinsichtlich der Geburten- und Sterbeziffern benachteiligen, durch sie allein kann der tiefe Stand der Geburtenziffern und die Höhe der Sterbeziffern bei weitem nicht erklärt werden. Es kommen in ihnen vielmehr bereits die starken wirtschaftlichen und sozialen Strukturänderungen zwischen West und Ost sowie die unterschiedliche psychische Einstellung der Bevölkerung zum Ausdruck.

Was für die Zonen im ganzen gesagt wurde, gilt analog auch für großstädtische Verhältnisse, wofür Hamburg für den Westen, Berlin für den Osten mit den in der ersten Tabelle wiedergegebenen Ziffern ein anschauliches Beispiel bieten.

Schon die Geburtenziffern Westdeutschlands liegen unter dem europäischen Durchschnitt und sind unzureichend zur Bestandserhaltung der Bevölkerung auf lange Sicht. Die Geburtenziffern Ostdeutschlands stellen im Verein mit den füreuropäischeVer- hältnisse ungewöhnlich hohen, Sterbeziffern und dem daraus resultierenden direkten Defizit eine zusätzliche schwere Belastung für den de u t- schen Volkskörper dar.

Die Flüchtlinge

Entgegen der vielfach verbreiteten Meinung, daß die Flüchtlinge sich überwiegend aus Frauen, Kindern und Greisen rekrutieren, muß festgestellt werden, daß ihre Zusammensetzung nach dem Geschlecht 1946 annähernd die gleiche war wie die der einheimischen Bevölkerung 127 Frauen auf 100 Männer. Ihr Altersaufbau war sogar insofern günstig, als der Anteil der Per-

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