"Zu vermenschlichend"

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Die RNA-Forscherin Renée Schroeder hat das Buch "Das kooperative Gen" gelesen. Die Biologie selbst findet sie spannend erklärt; die ideologische Verpackung stört sie.

Die Furche: Frau Professor, Richard Dawkins hat "Das egoistische Gen" geschrieben; Joachim Bauer kontert nun mit seinem Buch: "Das kooperative Gen". Wie sind denn Gene wirklich - egoistisch oder doch kooperativ?

Renée Schroeder: Weder noch. Ein Gen ist nichts Aktives.

Die Furche: Was soll das heißen?

Schroeder: Wenn wir etwas Neues lernen, können wir das nicht losgelöst von unseren Meinungen tun. Und die Gesellschaft ist nun mal patriarchalisch, hierarchisch und männlich geprägt. Deshalb war es für die Molekularbiologen - wie etwa auch für Dawkins - ein Bedürfnis, die Zelle so zu sehen. Das Gen hat dabei die Rolle des aktiven, kontrollierenden Elements bekommen; ähnlich einem Gott, der ja das Sinnbild dieses männlichen Herrschaftssystems ist. In Wahrheit aber ist die DNA nur eine passive Speicherform für Information.

Die Furche: Das meint ja auch Joachim Bauer, wenn er sagt: "Gene fahren nicht auf Autopilot".

Schroeder: Gewisse Dinge beschreibt er sehr schön. Er sagt etwa auch: Das Leben ist nicht mit dem Gen entstanden, sondern dadurch, dass Proteine und RNA miteinander kooperieren. Da bin ich ganz auf seiner Seite. Die traditionellen Streitereien waren ja: Was war zuerst da: Die Protein-Welt oder die RNA-Welt? Der erste sein - auch hier ist wieder das männlich-hierarchische Prinzip am Werk. Das ist doch irrelevant. Mir scheint jedenfalls klar, dass die Dinge miteinander entstanden sind. Doch obwohl ich die Wissenschaft selbst im Buch richtig und ganz wunderbar erklärt finde, habe ich mich sehr geärgert.

Die Furche: Worüber?

Schroeder: Bauer versucht sich zwar von Dawkins abzugrenzen, aber am Ende ist er ihm doch sehr, sehr ähnlich. Denn es geht ihm nicht primär darum, Wissen zu vermitteln, sondern eine gewisse Ideologie. Bei ihm kriegen die Transposons - die Gene regulieren - den aktiven Status. Den Gottesstatus. Auch vermenschlicht er sie: Der Begriff Kooperation hat in der Biologie etwa eine sehr weite Bedeutung und heißt so viel wie Wechselwirkung. Damit sind nicht Akteure gemeint, die gut und liebevoll miteinander umgehen.

Die Furche: Bauer spricht - ähnlich wie Sie zuvor- von einer "männlich-autistischen Biologie". Dem setzt er das Konzept von der Nobelpreisträgerin Barbara McClintock entgegen, die von der "Weisheit der Zelle" redet. Mögen Sie diese feministische Sichtweise?

Schroeder: Nein, das ist schon wieder zu vermenschlichend. Die Naturwissenschaft ist weder männlich noch weiblich. Obwohl sie von Männern dominiert wird.

Die Furche: Lässt sich überhaupt eine neutrale Sprache finden?

Schroeder: Wenn wir das Verhalten von Molekülen beschreiben, geben wir ihnen oft menschliche Züge. Ein Molekül, das zu wechselwirken versucht und es nicht schafft, ist etwa frustriert. Ja, so rede ich mit meinen Studenten. Damit man es besser versteht. Aber es ist auch ein Dilemma.

Die Furche: Nicht unbedingt für Verlage, die solche Bücher produzieren. Denn sie verkaufen sich sehr gut.

Schroeder: Es ist auch klar, warum. Die Materie ist dann nicht mehr so trocken, weil sich das Ganze in die eigene Weltsicht einfügt. Dabei wäre Biologie ohne Ideologie interessant genug. Sie muss nur spannend erzählt werden.

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

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